Kathleen Ferrier

1912 - 1953

Die englische Altistin gehört zu den Sänger-Legenden des XX. Jahrhunderts - die Intensität ihres Singens war unvergleichlich; ihre Interpretation der Alt-Sätze aus Gustav Mahlers Lied von der Erde galt noch ein halbes Jahrhundert nach dem Tod der Künstlerin als maßstabsetzend und kaum übertroffen. Der frühe Krebs-Tod Ferriers trug zur Mythenbildung noch bei.

Ferrier stammte aus armen Verhältnissen und mußte die Schule mit 14 verlassen, um als Telfonistin Geld für die Familie zu verdienen.

Damit finanzierte sie auch ihr Klavierstudium an der Royal Academy in London. Als Pianistin gewann sie Wettbewerbe. Gesungen hat sie zunächst nur in Chören. Sie musizierte während des Zweiten Weltkriegs auch mit jungen Kollegen auf Tourneen durch ganz Großbritannien, um Musik zur Bevölkerung zu bringe.

Erst anläßlich des Carlisle Festivals 1947, bei dem sie Klavier spielte und sang, wurde ihre unverwechselbare, eindringlich deklamierende Alt-Stimme entdeckt. Zwei Jahre danach entstand die erste Rundfunk-Aufnahme. Dann ging es Schlag auf Schlag. Anläßlich einer Aufführung von Händels Messias in der Londoner Westminster Abbey im Mai 1943 hört der Komponist Benjamin Britten die Sängerin und komponiert in der Folge für sie. Ferrier wird im Juli 1949 die Alt-Solistin der Uraufführung seiner Spring Symphony sein.

1944 macht Ferrier erste Lied-Aufnahmen mit Gerald Moore. In Glyndbourne hebt sie 1946 Brittens Rape of Lucretia aus der Taufe. Es ist ihre erste szenische Opernproduktion, die in der Folge als Gastspiel auch in Asterdam gezeigt wird. Unter Bruno Walter absolviert sie 1948 ihr Debüt in der New Yorker Carnegie Hall mit Mahlers Lied von der Erde.

Dieses Konzert wurde legendär, weil die Sängerin ihre letzten Worte »ewig, ewig...« nicht mehr singen konnte. Sie war in Tränen aufgelöst. Als sie sich hinterher beim Dirigenten entschuldigte, antwortete Walter:

Meine Liebe, wenn wir so professionell wären wie Sie, wären wir alle in Tränen aufgelöst gewesen!


Herbert von Karajans saß im Auditorium, als die Ferrier unter Walter das Alt-Solo in Mahlers Lied von der Erde im Jahr darauf bei den Salzburger Festspielen sang. Er engagierte die Sängerin sofort für seine → Konzerte in Wien anläßlich des Bach-Jahrs 1950. Die Ferrier war damals begeistert von Wien und schrieb an ihre Schwester:
Everything fine here. Karajan very pleased with me ... Would have liked to have seen Vienna before the war – the buildings are superb. Everything very cheap. Had some photies taken
Etwas später klangen die Meldungen nicht mehr so euphorisch:
It’s been terrifically hot – lovely for lounging, but a bit much in a crowded concert hall. It’s a bit depressing here – there are still uniforms of 4 armies about and so many beggars and lame, halt and blind.
Doch künstlerisch war der Ausflug nach Wien ein sensationeller Erfolg für Ferrier.Ein → drittes Bach-Konzert mit einer Aufführung des Magnificats sollte Otto Klemperer leiten, sagte aber ab und wurde durch Volkmar Andreae ersetzt - auch von dieser Aufführung hat sich ein Livemitschnit erhalten.

Hörenswert auch der Livemitschnitt eines von Bruno Walter am Klavier begleiteten Liederabends beim Edinburgh-Festivals 1949.Ein wunderbares Dokument von Ferrieras Kunst ist das Download-Album mit Mahler-Liedern, begleitet von Bruno Walter, Brahms' Vier ernsten Gesängen (mit John Newmark, Klavier) und der Alt-Rhapsodie, dirigiert von Clemens Krauss.

Legendär sind längst die Mahler-Aufführungen und -Aufnahmen unter der Leitung Bruno Walters. Unter anderem entstand in Wien mit Julius Patzak unter Walter eine Aufnahme des Lieds von der Erde, die bis heute als singulär gilt. Das war im Mai 1952, mehr als ein Jahr nachdem Ferrier die Diagnose erhalten hatte, unheilbar an Krebs erkrankt zu sein. Mit Irmgard Seefried und Julius Patzak, ihrem Tenor-Partner auf der berühmten Aufnahme des Lieds von der Erde, sang sei beim Edinburgh Festivals 1953 noch Brahms' Liebeslieder-Walzer. Einer Arien-Platte mit Nummern von Händel und Bach war im Oktober 1952 ihre letzte Studio-Aktivität gewidmet. Auf der Bühne konnte sie das Londoner Opernpublikum noch am 3. Februar 1953 anläßlich der Premiere von GLucks Orfeo unter Sir John Barbirolli in Covent Garden erleben. Drei Tage später brach sich Kathleen Ferrier bei der ersten Reprise dieser Produktion ein Bein. Sie konnte nie wieder in der Öffentlichkeit singen. Am 8. Oktober 1953 erlag die Sängerin 41jährig ihrem Leiden.





↑DA CAPO