Volkmar Andreae
1879 - 1962
Ein Dirigent, der vor allem dank seiner magistralen Bruckner-Deutungen in Erinnerung geblieben ist. Andreae, ausgebildeter Komponist (er schrieb unter anderem eine Vertonung von Shakespeares Romeo und Julia) war zunächst Chormeister in Zürich und Korrepetitor an der Münchner Hofoper. Er leitete von 1914 bis 1939 das Zürcher Konservatorium. Jahrzehntelang war er Chefdirigent des Zürcher Tonhallorchesters.
Bemerkenswert in seiner Dirigentenkarriere ist auch die Erstaufführung von Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion in Mailand.
Mit den Wiener Symphonikern gelang die erste, nach wie vor empfehlenswerte Gesamtaufnahme der Bruckner-Symphonien, Dokument der romantischen Bruckner-Spieltradition (Andreae verwendet die Fassungen von Haas und Schalk - allerdings kommen bei seiner klangmächtigen, dramatischen Deutung der Partituren kaum Fragen nach wissenschaftlichen Editionspraktiken.
Das gilt wohl auch für einen Livemitschnitt wie jenen von einer Aufführung des Bach-Magnificats mit Solisten wie Irmgard Seefried und Kathleen Ferriere mit den wacker auf fremdem Terrain streitenden Kräften der Wiener Staatsoper - Andreae war kurzfristig für den erkrankten Otto Klemperer eingesprungen. Für andächtige Parteigänger der Originalklang-Doktrinen ist die Aufnahme, die jahrzehnte später wieder auftauchte und auf CD veröffentlicht wurde, ein Gräuel, denn es wird so ziemliche jede Regel mißachtet. Doch wird mit beeindruckender Energie und spürbarer Hingabe musiziert und gesungen. Vor allem reagiert der Orchesterklang (bei aller historisch fragwürdigen Artikulation) mit sensiblen Klangschattierungen auf die radikalen Wechsel der Stimmungen der einzelnen Nummern. So liegt über dem von Ferrier ätherisch-schwebend angeführten Et misericordia-Duett mit dem erstaunlich diszipliniert folgenden Hugo Meyer-Welfing ein wunderbar melancholischer Schleier. Und Ferriers Esurientes-Solo, von zart hingetupften philharmonischen Flöten-Tönen umspielt, ist ein Ereignis für sich.
Mit den Wiener Philharmonikern hat Andreae auch Aufnahmen als »Begleiter« von Friedrich Gulda gemacht, die in der frühen Diskographie des Pianisten erwähnenswert sind: Schumanns Klavierkonzert und das Konzertstück Carl Maria von Webers.
Für Sammler doppelt erfreulich ist die bei Jecklin erschienene CD mit Werken des Schweizer Komponisten Othmar Schoeck, die unter anderem dessen rares Violinkonzert enthält, und zwar gespielt vom Tonhalle Orchester unter Volkma Andreae mit Stefi Geyer als Solistin - eine der wenigen Gelegenheiten, den herbsüßen Geigenton dieser einstigen Favoritin Béla Bartóks zu hören!