Michael Raucheisen

1889 - 1984

Michael Raucheisen war einer der bedeutendsten Lied-Begleiter des XX. Jahrhunderts

Es liegt in der grausamen Natur der Tatsachen, daß die besten Früchte kultureller Bildungsprogramme von Rundfunkanstalten für die Nachwelt auch dann von Bedeutung sind, wenn sie in totalitären Staaten produziert werden.
Das gilt für die einschlägigen Produkte aus Sendestationen in Stalins Sowjetunion ebenso wie in Hitlers »Drittem Reich«.

In diesem Sinne ist das Erbe Michael Raucheisens von unschätzbarem Rang, dokumentiert es doch die sachkundige und liebevolle Arbeit dieses Pianisten mit einigen der führenden deutschen Sängern, etwa mit den Tenören Walther Ludwig und Julius Patzak.
Für den »Reichsrundfunk«, dessen Kammermusik- und Liedabteilung Raucheisen leitete, entstanden in Berlin bis ins Frühjahr 1945 beinahe 2000 Aufnahmen, die im Rahmen der Sendereihe Lied der Welt ausgestrahlt wurden.

Die Winterreise von 1945

Ehe er sich Ende März 1945 auf der Flucht vor der nach Berlin vorrückenden Roten Armee nach Süddeutschland durchschlagen konnte, machte Raucheisen noch mit → Peter Anders eine Gesamtaufnahme von Schuberts Winterreise, die von exzeptioneller künstlerischer Qualität ist - und die erste Aufnahme des Zyklus durch einen Tenor in Schuberts Originaltonarten darstellt.

Die Aufnahmen mußten wegen der Bombenangriffe auf die deutsche Hauptstadt wiederholt unterbrochen werden - und waren bis zuletzt von der Möglichkeit eines völligen Abbruchs bedroht. Die letzte Tranche entstand am 13. März 1945 - hellhörige Musikfreunde haben mehr als einmal gemeint, im Hintergrund dumpfes Geschützgrollen vernehmen zu können.

Michael Raucheisen konnte nach der «Blockade» nach Berlin zurückkehren und sogar seine Lied-Sendungen wieder aufnehmen, wobei nun auch Musik berücksichtigt werden konnte, die unter dem NS-Regime verboten war.


↑DA CAPO