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Felix Galimir

1910 - 1999

Die antisemitische Haltung der Musiker der Wiener Philharmoniker führte dazu, daß einer der begabtesten jungen Geiger Wiens bereits lange vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in Wien emigrierte: Felix Galimir, der das Probespiel gewonnen hatte, wurde von Teilen des Orchesters abgelehnt und ging daher zunächst nach Palästina, wo ihn → Bronislaw Huberman ins neu gegründete Vorgängerorchester des heutigen Israel Philharmonic aufnahmen.

Toscaninis Konzertmeister

Doch 1938 übersiedelte Galimir in dei USA und wurde dort Konzertmeister im von Arturo Toscanini geleiteten NBC-Orchester, wo er bis Anfang der Fünfzigerjahre tätig war. Danach war er ein gesuchter Lehrer, dem unter Geigern alle Ehren zuteil wurden. Er starb 89-jährig als lebende Legende. Doch in seiner Heimat war er vergessen.

Galimir hatte bereits als Teenager mit seinen musizierenden Schwestern das Galimir Quartett gegründet. Zum Gedenken an Beethovens 100. Todestag, 1927, begannen die vier gemeinsam zu musizieren.

Quartett der modernen Meister

Das enorme Niveau, das sie erreichten, und ihr Interesse für zeitgenössische Musik machte sie zu einem gesuchten Ensemble, das für heikelste Aufgaben herangezogen wurde: Alban Berg überwachte die Einstudierung seiner Lyrischen Suite, die unter Musikern als unspielbar galt. Den Galimirs gelang dann im Jahr nach Bergs Tod eine erstaunlich perfekte Aufnahme, die auf dem Label Testament wieder aufgelegt wurde, gekoppelt mit der ersten Aufnahme von Bergs Violinkonzert mit dem Uraufführungs-Duo Louis Krasner (Solo) und Anton von Webern (Dirigent).

Maurice Ravel war begeistert, als er die Einspielung seines Streichquartetts durch das Wiener Quartett hörte. Darius Milhaud war bei den Aufnahmesitzungen für sein Siebentes Streichquartett zugegen. Die Labels der französischen Polydor-Schellacks bezeichnen die Musiker stets als »Quartett aus Wien«.

Doch die Emigration des Geigers machte dem familiären Quartettspiel ein Ende. Als Sekundgeiger hat Galimir im Aufnahmestudio mit → Erica Morini und dem im amerikanischen Exil dann auch im Aufnahmestudio viel beschäftigten Bratschisten Walter Trampler gearbeitet, darunter eine Einspielung von Beethovens c-Moll-Streichquartett (op. 18/4) und Mozarts F-Dur-Quartet KV 590. Viele dieser Aufnahmen sind heute im Internet bei diversen Streaming-Diensten nachzuhören und dokumentieren die eminente Gestaltungskraft dieses Künstlers und seiner Kammermusikpartner. Auch in den USA hat Galimir - mit anderen Partnern - Kammermusik gemacht. Unter dem Namen »Galimir Quartet« firmierten eine Zeitlang Felix Galimir, Stuart Crann, Karen Turtle und Seymour Barab. Zahlreiche zeitgenössische Werke wurden für Schallplatten produziert, ebenso klassische und romantische Literatur - auch in anderen Besetungen - voran etwa Schuberts Klaviertrios mit István Nadás und László Varga.

Anfang der Achtzigerjahre ging Galimir in de USA noch einmal ins Studio, um Bergs Lyrische Suite aufzunehmen, diesmal in Digitaltechnik und gekoppelt mit Bergs erstem Streichquartett op. 3 Mit von der Partie war diesmal John Graham, der kurz zuvor als Zweiter Bratschist mit dem Juilliard Quartet Mozarts Streichquintette aufgenommen hatte.

Im besten wienerischen Quartettstil, hochsensibel, nervös gespannt mit feinen Nuancierungen des Vibratos zu Ausdruckszwecken musizierte Galimirs Quartett beispielsweise auch Haydn. Keine Spur von gemütlichen »Papa Haydn«, jeder Zoll dramatische, beredte Musik, virtuos realisiert.

↑DA CAPO