Riccardo Muti

Gespräch, 18. Jänner 2003

»Inszenierungen dürfen nicht stupid sein!«

Riccardo Muti, der derzeit in Wien und Salzburg mit den Philharmonikern musiziert, im Gespräch über seine Aktivitäten in Mailand, Wien - und die Ärgernisse bezüglich des Theaters an der Wien.

Gewiß, Riccardo Muti ist Leiter der Mailänder Scala. Doch Wien betrachtet er seit langem als seine zweite künstlerische Heimatstadt. »Es ist die zweite, die andere wichtige Stadt für mich«, sagt er im Gespräch, »denn mit den Wiener Philharmonikern verbindet mich eine Partnerschaft, die länger dauert als mit jedem anderen großen Orchester der Welt.«

Gern erinnert sich Muti an seine ersten philharmonischen Verpflichtungen und an Staatsopernpremieren wie »Aida« und »Macht des Schicksals«, die ihn als jungen Mann bereits Anfang der siebziger Jahre nach Wien geführt haben.

»Deshalb«, räsoniert er, »ist die Beziehung mit den Philharmonikern besonders eng und wir fahren etwa im Mozartjahr gemeinsam nach New York.« Daß er nun ein Philharmonisches im Rahmen der Mozartwoche dirigiert, aber keine Oper bei den sommerlichen Salzburger Festspielen, kann er begründen: »Das liegt in Wahrheit an den Regisseuren. Man hat mich eingeladen, die Zauberflöte zu dirigieren. Aber ich will bei einer Opernproduktion schon vorher genau wissen, wie eine Inszenierung aussehen soll. Das hat übrigens überhaupt nichts mit der Frage zu tun, ob etwas modern oder altmodisch ist. Es darf nur nicht stupid sein, das ist der Punkt. Ich will jedenfalls das alles von vornherein gut arrangieren.«

Das gelang ihm zuletzt in Wien anläßlich des Da-Ponte-Zyklus im Theater an der Wien, den er gern fortgesetzt hätte. Daß die Sache mit dem allseits anerkannten »besten Mozarthaus« nicht so läuft, wie es aus musikalischer Sicht wünschenswert wäre, ärgert Muti.

»Ich hätte mir viele Dinge vorstellen können, die in dieses Haus gut passen, etwas Neapolitanisches, Paesiello oder Cherubinis Lodoiska, die als Vorbild für Beethovens Fidelio so wichtig gewesen ist, der ja hier immerhin uraufgeführt wurde. Aber ich bin ein Gast in Wien, ich muß akzeptieren, daß die Dinge anders laufen, als ich mir - und, wie ich weiß, viele Musikfreunde sich wünschen.«

Für Premieren im großen Haus hat Muti derzeit keine Zeit. Die Mailänder Scala wird soeben renoviert. »Wir spielen im Teatro Arcimboldo, das übrigens auch für Besucher aus anderen, nahegelegenen Städten interessant ist. Wir haben dort 2500 Plätze und haben, fragen Sie mich bitte nicht wie, bei Figaros Hochzeit eine Auslastung von 101 Prozent geschafft.«

Mozart, so erklärt Muti, ist der absolute Favorit des Mailänder Publikums: «Er ist in Italien überaus populär. Don Giovanni ist der Liebling der Zuschauer. Es ist ein Vorurteil, daß man an der Scala nur Verdi spielen kann. Ich bin ganz froh, daß das Verdi-Jahr vorbei ist. Doch ich dirigiere heuer erstmals ,Due Foscari' und freue mich natürlich ebenso darauf wie auf den Fidelio

Stolz ist Muti, daß auch die Opern Glucks, die er für Mailand wieder ausgegraben hat, sehr erfolgreich liefen: »Wir hatten im Vorjahr Iphigenie in Aulis und werden hier fortsetzen. Ich insistiere darauf, neben Mozart auch Gluck und Spontini zu spielen, um das Repertoire um diese wertvolle Musik zu bereichern. Man schließt da eine historische Lücke.«

Neben Wien und Mailand, wo Muti mit dem Scala-Orchester nicht nur für die Oper, sondern dank seiner Initiative auch für Konzerte ein Spitzenensemble zur Verfügung hat, sieht der Maestro München und New York als seine wichtigsten Metropolen. »Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks verbindet mich eine wunderbare Partnerschaft und auch die New Yorker Philharmoniker dirigiere ich mit Vergnügen.«

Ein einziges Orchester hat Muti noch auf der Wunschliste: »das Concertgebouw Orchester in Amsterdam«, sagt er - und ist zuversichtlich, daß auch das sich demnächst ergeben wird.


↑DA CAPO