Bernard Haitink

1929 - 2021

Haitinks Liebe zur Musik und sein Interesse für den Musikerberuf erwachten im Kindesalter, anläßlich eines Besuches eines Konzerts jenes Orchesters, dessen Geschicke er selbst jahrzehntelang mitbestimmen sollte: Willem Mengelberg dirigierte das Concertgebouw Orchester Amsterdam. Und der junge Bernard Haitink widmete sich ab diesem Zeitpunkt intensiv seinen musikalischen Studien, wurde Geiger und durfte bald im holländischen Radioorchester mitspielen. 1955 war er nach Absolvierung eines Dirigentenkurses bereits Assistenz-Kapellmeister seines Orchesters. Im Jahr darauf sprang er für Carlo Maria Giulini kurzfristig ein, um eine Aufführung von Cherubinis Requiem in d-Moll zu dirigieren. Da stand er erstmals am Pult des Concertgebouw Orchesters, dessen Chefdirigent er nach dem Tod Eduard van Beinums wurde, der nach dem Krieg die Nachfolge des politisch mißliebig gewordenen, großen Willem Mengelberg angetreten hatte.

Die Position in Amsterdam behielt Haitink über Jahrzehnte. 1967 ernannte ihn überdies das London Symphony Orchestra zum Principal Conductor und Artistic Advisor, eine Funktion, die er ab 1976 bei London Philharmonic ausübte.

Von seinem Posten als Chefdirigent der Staatskapelle Dresden zog sich Haitink 2004, nach nur zwei Jahren im Amt, vorzeitig zurück, weil er mit der Wahl seines Nachfolgers nicht einverstanden war.

Die großen Symphonieorchester der Welt haben Haitink immer wieder eingeladen, die Berliner Philharmoniker machten ihn zum Ehrendirigenten, die Wiener Philharmoniker absolvierten auch Tourneen unter seiner Leitung.

Im niederländischen Musikleben war die Stellung Haitinks bald unangefochten. Er wurde zur Leitfigur des Amsterdamer Musiklebens und dank seines Exklusivvertrags mit Philips zu einem der meistbeschäftigten Dirigenten im Schallplattenstudio. Das gesamte große Repertoire, darunter eine der frühesten Gesamtaufnahmen der Symphonien Gustav Mahlers, hat Haitink von 1959 an - zum Teil mehrmals - aufgenommen. Über die Bruckner-Aufnahmen, die auch die Nullte Symphonie inkludierten, schrieb Gramophone-Rezensent Deryck Cooke:

Ich kann nicht mehr über Haitinks Bruckner-Zyklus sagen, als daß ich bei allen Vorbehalten, die ich vielleicht gegen die Interpretation des einen oder anderen Satzes haben mag, keinen besseren kenne, und wenige, die ähnlich gut gelungen sind.

Nicht minder begeistert gab sich Cooke, der als »Vollender« von Gustav Mahlers Zehnter Symphonie Musikgeschichte geschrieben hat, über Haitinks Aufnahme vom Mahlers Neunter (1969), die er

trotz all der großen Konkurrenz (Walter, Klemperer, Solti und Bernstein) schlichtweg ideal

nannte.

Doch gab es immer wieder auch Kritik an Haitinks Auftritten, vielen Kommentatoren waren seine Interpretationen zu wenig eindringlich, zu glatt. Auch gab es wiederholt unliebsame Erfahrungen, etwa als die Berliner Philharmoniker anläßlich eines Gastspiels in New York desaströse Verrisse einstecken mußten - wofür sich der Dirigent dann expressis verbis bei den Musikern entschuldigte.

Oper hat Haitink gern, aber vor seinem Engagement als Chefdirigent der Londoner Covent Garden Opera nicht sehr oft dirigiert, unter anderem im Theatre des Champs Elysées, Paris. Als Chefdirigent von London Philharmonic wurde er dann aber auch künstlerischer Leiter des Glyndebourne Festivals. Von der Bühne zog er sich anläßlich seines neunzigsten Geburtstags mit Abschiedskonzerten unter anderem mit den Wiener Philharmonikern bei den Salzburger Festspielen zurück.





↑DA CAPO