Freiräume für die Avantgarde
5. Mai 1994
Pierre Boulez
leitet zur Festwocheneröffnung erstmals ein "Philharmonisches" in Wien. Im Gespräch philosophierte er über musikalische Grundsatzfragen.
Eigentlich, so erläuterte der Dirigent und Komponist vor Journalisten, wollte er dieses Eröffnungskonzert im Musikverein als Gegenüberstellung von Mahlers Sechster Symphonie mit Werken der Wiener Schule gestalten, die direkt auf Mahler Bezug nehmen: Weberns und Bergs Orchesterstücke. "Das wäre aber für die Blechbläser zu schwierig gewesen. Jetzt spielen wir vor der Mahlersymphonie die frühen Lieder von Berg. Die Orchesterstücke reichen wir in Salzburg nach."
Für die Salzburger Festspiele plant Boulez neben Konzerten auch die einzige Oper, die er während der nächsten Jahre zu dirigieren gedenkt: Schönbergs "Moses und Aron", inszeniert von Peter Stein, soll zuerst in Amsterdam, 1996 dann bei den Festspielen herauskommen. "Da bin ich schon im Juni '95 zu Chorproben in Amsterdam und insgesamt vier Monate beschäftigt". Deshalb sei ihm Oper auf Dauer zu anstrengend.
Es sei ohnehin schwer genug, die Konzerttätigkeit des Dirigenten Boulez mit der Arbeit des Komponisten Boulez zu koordinieren. "Das geht eigentlich sehr schlecht", kommentiert der Franzose lächelnd, setzt aber gleich hinzu: "Ich schaffe mir schon immer Freiräume. Da werde ich strenger und strenger."
"Deshalb bin ich eigentlich Dirigent geworden: Ich konnte es nicht mehr ertragen, die Musik unserer Zeit schlecht interpretiert zu hören."
Als Komponist ist er übrigens gar nicht unglücklich über die Lockerung, die Strömungen wie "Neue Einfachheit" und das Zeitalter der "Postmoderne" im Verhalten der Avantgarde gegenüber der Tradition ermöglicht haben: "Wir waren früher sehr dogmatisch, das stimmt. Auch Kollegen wie Berio sehen die Dinge viel gelöster. Die jungen Komponisten haben keine Probleme mit der Überlieferung. Für die bedeutet das eine Erweiterung des Horizonts."
Auch er selbst habe als Komponist von dieser Entkrampfung profitiert: "Das ist ein Fortschritt. Es gibt eben Perioden strenger Disziplinierung. Und solche, die flexibler sind."
Der Kampf um zeitgemäße Aufführungsformen geht freilich weiter: "1995 eröffnen wir in La Villette einen absolut mobilen Konzertsaal, in dem die Ausführenden überall postiert werden können, für alle Anforderungen Neuer Musik geeignet." In Wien gibt es jetzt einmal im Musikverein Mahler - mit den Philharmonikern. Boulez: "Ein Orchester ist eine Persönlichkeit. Natürlich hat ein Dirigent eigene Ideen, aber er muß auch hören, was ihm die Musiker zu geben haben. Er kann glücklich sein, hier in einen Dialog zu treten."
Boulez' philharmonischer Dialog findet viermal, von Freitag bis Montag statt. Er wird für Compact Disc mitgeschnitten.
Eigentlich, so erläuterte der Dirigent und Komponist vor Journalisten, wollte er dieses Eröffnungskonzert im Musikverein als Gegenüberstellung von Mahlers Sechster Symphonie mit Werken der Wiener Schule gestalten, die direkt auf Mahler Bezug nehmen: Weberns und Bergs Orchesterstücke. "Das wäre aber für die Blechbläser zu schwierig gewesen. Jetzt spielen wir vor der Mahlersymphonie die frühen Lieder von Berg. Die Orchesterstücke reichen wir in Salzburg nach."
Für die Salzburger Festspiele plant Boulez neben Konzerten auch die einzige Oper, die er während der nächsten Jahre zu dirigieren gedenkt: Schönbergs "Moses und Aron", inszeniert von Peter Stein, soll zuerst in Amsterdam, 1996 dann bei den Festspielen herauskommen. "Da bin ich schon im Juni '95 zu Chorproben in Amsterdam und insgesamt vier Monate beschäftigt". Deshalb sei ihm Oper auf Dauer zu anstrengend.
Es sei ohnehin schwer genug, die Konzerttätigkeit des Dirigenten Boulez mit der Arbeit des Komponisten Boulez zu koordinieren. "Das geht eigentlich sehr schlecht", kommentiert der Franzose lächelnd, setzt aber gleich hinzu: "Ich schaffe mir schon immer Freiräume. Da werde ich strenger und strenger."
Webern statt Beethoven
Jetzt, wo er alle Verpflichtungen als Orchester-Chef aufgegeben hat, dirigiert Boulez nur mehr einige wenige Ensembles und konzentriert sich auch auf ein bestimmtes Repertoire: "Ich dirigiere kaum mehr Klassiker, überhaupt kein großes Repertoire mehr. Es gibt genügend Beethoven-Dirigenten, aber bei Webern wird es eng." Boulez, Pariser Ircam-Gründer, Leiter des Ensembles InterContemporain, wackerer Streiter für die Sache der Avantgarde, fühlt eine Verpflichtung, sich für die Musik unseres Jahrhunderts zu engagieren."Deshalb bin ich eigentlich Dirigent geworden: Ich konnte es nicht mehr ertragen, die Musik unserer Zeit schlecht interpretiert zu hören."
Als Komponist ist er übrigens gar nicht unglücklich über die Lockerung, die Strömungen wie "Neue Einfachheit" und das Zeitalter der "Postmoderne" im Verhalten der Avantgarde gegenüber der Tradition ermöglicht haben: "Wir waren früher sehr dogmatisch, das stimmt. Auch Kollegen wie Berio sehen die Dinge viel gelöster. Die jungen Komponisten haben keine Probleme mit der Überlieferung. Für die bedeutet das eine Erweiterung des Horizonts."
Auch er selbst habe als Komponist von dieser Entkrampfung profitiert: "Das ist ein Fortschritt. Es gibt eben Perioden strenger Disziplinierung. Und solche, die flexibler sind."
Der Kampf um zeitgemäße Aufführungsformen geht freilich weiter: "1995 eröffnen wir in La Villette einen absolut mobilen Konzertsaal, in dem die Ausführenden überall postiert werden können, für alle Anforderungen Neuer Musik geeignet." In Wien gibt es jetzt einmal im Musikverein Mahler - mit den Philharmonikern. Boulez: "Ein Orchester ist eine Persönlichkeit. Natürlich hat ein Dirigent eigene Ideen, aber er muß auch hören, was ihm die Musiker zu geben haben. Er kann glücklich sein, hier in einen Dialog zu treten."
Boulez' philharmonischer Dialog findet viermal, von Freitag bis Montag statt. Er wird für Compact Disc mitgeschnitten.