Der Freischütz
Carl Maria von Weber (182o)
Libretto: Friedrich Kind nach A. Apels Volkssage
Der Freischütz ist die romantische Oper schlechthin. Das Libretto Friedrich Kinds basiert auf einer alten deutschen Volkssage, die A. Apel aufgezeichnet hat. Carl Maria von Weber Soll sich schon früh Für die Geschichte begeistert haben. So berichten zumindest Zeitgenossen. In Webers Korrespondenz lassen sich dafür allerdings keine Anhaltspunkte finden. Librettist Kind berichtet, er hätte Weber den Stoff eines Tages vorgeschlagen und dann im Verein mit dem Komponisten beschlossen, die Handlung in ein Happyend münden zu lassen.
→ Der originale Schluß in Apels „Volkssage“.
In der Sage stirbt die Braut an den Folgen des Probeschusses mit der »Freikugel« und der Anti-Held Max (in der Sage: Wilhelm) endet im Irrenhaus. In der Oper wendet sich das Schicksal Dank des Eingreifens des Eremiten, den Weber und Kind hinzuerfanden, wie sie aus den 63 Freikugeln des Teufels sieben gemacht haben, um in der „Wolfsschlucht“-Szene effektvoll die ganze Zeremonie des Kugelgießens zu einer beeindruckenden Opernszene zu machen. Um Libretto-taugliche Figuren zu gewinnen, wurde aus der klagenden Mutter Anne das muntere Schwesterchen Ännchen, die dem ernsthaften Käthchen, das in der Oper Agathe heißt, ein Gegengewicht zu schaffen. Aus Wilhelm wurde Max - der im finsteren Kaspar einen sinistren Gegenspieler fand, der dem Teufel (namens Samiel) bereits verfallen ist.So kommt es in der Handlung zur nahtlosen Verbindung zwischen scheinbar heiler Welt und Teufels-Anbetung. Im übrigen hielt sich Friedrich Kind in vielen Details getreulich an die Erzählung. Auch der Titel blieb erhalten, nachdem Weber ursprünglich von der „Jägerbraut“ sprach, der Theaterdirektor im letzten Moment aber den „Freischütz“ aufs Programm setzte.
Das Werk wurde rasch als stilbildende deutsche romantische Oper erkannt. Tatsächlich versammelt Weber alles, was musikalisch für eine solche Stilbildung erforderlich ist: Von den Genreszenen inklusive Bauerntanz und Jägerchor über die Elemente der komischen Oper, die in Ännchens Polonaisen-Arie vom „schlanken Burschen“ wie im dramatischen Rezitativ „Traumerzählung“ mit nachfolgender heiterem Lied-Schluß („Trübe Augen“).
Die finsteren Auftritte des Kaspar spannen den Bogen zur großen Oper: Das Trinklied ist von scheinbar heiterem Zuschnitt, läßt aber bedrohliche Unter- und - mit den grellen Piccoloflöten - Obertöne hören; und die Arie im ersten Finale („Schweig, schweig“) ist ein ins Romantische übersteigerter der Pizzaro-Arie aus Beethovens „Fidelio“.
Die Wolfsschlucht ist vollends der Inbegriff der Gespensterszene geworden, deren musikalische Dramatik weit vorausweist in Wagnersche Gefilde. In dieser Hinsicht kann Webers Vorbildwirkung gar nicht überschätzt werden. Vergleichbare Elemente in Werken Heinrich Marschners datieren etwa ein Jahrzehnt später. Unter den Solo-Nummern des „Freischütz“ stehen die beiden Arien der Agathe als Restbestände der großen Opernform, wie sie auch in Italien und Frankreich in jener Ära gebräuchlich waren - und noch lange blieben.