Wie sooft kommt man auch bei diesem Werk nicht darum herum, historische, technisch teils problematische Aufnahmen zu konsultieren, wenn man tiefer in die Substanz der Komposition eindringen möchte und nicht mit eindimensionalen Lesarten abgespeist werden möchte.
Die allererste Bezugsperson, die wir in Sachen Falstaff zu konsultieren haben, ist natürlich Arturo Toscanini, der Uraufführungsdirigent, der dieses, »sein« Werk in legendären Produktionen an der Mailänder Scala, bei den Salzburger Festspielen und im amerikanischen Plattenstudio einstudiert hat - und dessen Wissen um jedes Detail dieser pointen- und facettenreichen Partitur aus jedem Takt der erhaltenen Mitschnitte herauszuhören ist.
Die technisch beste Toscanini-Aufnahme des Falstaff stammt aus der amerikanischen Zeit und hat mit Giuseppe Valdengo auch einen wunderbaren Titelhelden, den der Maestro zu äußerster Genauigkeit erzogen hat. Mit seinem klangvollen, in der Tiefe sicher sitzenden Timbre gibt er einen ebenso gemütlichen wie verschmitzten, mit allen Wassern gewaschenen Ritter von der üppigen Gestalt, umgeben von einem Ensemble, das weniger ihn als den Dirigenten als Trabanten zu umkreisen scheint.
Toscaninis erste Wahl in früheren Jahren war Mariano Stabile, ein Bariton mit etwas hellerem Timbre als Valdengo, aber von faszinierender Wandlungsfähigkeit, Bühnenenergie und Eloquenz. Er schafft den Spagat zwischen gesanglich wie sprachlich geschliffener Umsetzung des Noten- und Librettotextes. Um Stabiles legendären Witz und Temperament akustisch zu erleben, lohnt es sich, die Aufnahme unter Victor de Sabata zu hören (auch wenn sie technisch teilweise von deplorablem Zuschnitt ist). Hier geht der Gestalter Stabile ganz aus sich heraus, nimmt nicht - wie beim strengen Toscanini - jede Zweiunddreißigstelnote ganz bei Wort und Wert, ist sich aber mit de Sabata einig in der hingebungsvollen Auslotung der dramaturgischen Qualitäten dieser Gemeinschaftsproduktion zweier Genies, Verdis und Boitos, im Geiste eines dritten, Shakespeare.
Der Mitschnitt einer Scala-Premiere hat überdies noch den Vorteil der hinreißenden Alice von Renata Tebaldi und der in dieser Zeit einsam führenden Darstellerin der Mrs. Quickly, Cloe Elmo.
Problematische Studio-Versuche
Verdis kleinteilige Komödie braucht zur vollständigen Entfaltung ihres Zaubers fast mehr als jede andere seiner Opern die Bühnenluft. Nahezu alle Versuche, das Werk im Studio zu realisieren, scheitern letztendlich an dieser Hürde: Drei Studio-Aufnahmen, wenn auch zum Teil gekoppelt an parallele Live-Aufführungen in großen Opernhäusern, gerieten zwar brillant, erfüllen auch aufnahmetechnisch alle Wünsche, nehmen sich aber im Gegensatz zu den Livemitschnitten alle etwas blutleer aus.
Dennoch verrät der Live-Mitschnitt von den Salzburger Festspielen - mit einer ähnlichen, von Gobbi angeführten Sängerbesetzung - bei, zugegeben, etwas weniger Genauigkeit mehr Spontaneität und vor allem (nicht zuletzt dank der Wiener Philharmoniker) viel Witz.
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