Richard Strauss

1864 - 1949

Der letzte Opern-Praktiker

Richard Strauss war einer der letzten Komponisten repertoiretauglicher Opern.

Von seinen Werken haben es - in chronologischer Folge -

* »Salome« (1905),
* »Elektra« (1909) und
* »Der Rosenkavalier« (1911)

geschafft, seit ihren Uraufführungen fixe Bestandteile der Opernprogramme in aller Welt zu bleiben.

* »Ariadne auf Naxos« (1914/16)

kommt als Stück für Connaisseurs hinzu, das ebenso wie

* »Arabella« (1929/33)

weniger oft gegeben wird, aber nie ganz aus dem Bewusstsein der Intendanten verschwand.

Prüfstein für jedes Opernensemble

Die

„Frau ohne Schatten“ (1915/19)

der neben Jules Massenets »Werther« (1892) die einzig wirklich relevante Uraufführung galt, die je im Gebäude der Wiener Staatsoper am Ring stattgefunden hat, kommt hinzu als einer der großen Prüfsteine für die Leistungsfähigkeit eines Opernensembles bzw. eines Festivals - dieser Herausforderung stellt man sich quasi aus sportlichem Ehrgeiz wie einer Neueinstudierung von Wagners »Tristan« - und erfreut damit jene zahlreichen Opernkenner, denen »die Frau« als eines der absoluten Gipfelwerke der Musiktheater-Historie gilt.

Rare Straussiana

Während die biedermeierliche Selbstbespiegelung namens »Intermezzo« ebe sowenig Chancen auf eine dauerhafte Wiederbelebung in den Spielplänen haben dürfte wie die verrätselte Antiken-Oper »Die ägyptische Helne«, finden sich weitere Straussiana in größeren Abständen doch immer wieder. Etwa die wegen zwei schwer zu bewältigender Tenorpartien heikel zu besetzende »Daphne«, die ebenso viel schöne Musik enthält wie das abgeklärte Alterswerk »Capriccio«.

Kapriziöse Dialoge

»Capriccio« ist einschlägigen Kommentatoren ein besonderer Dorn im Auge, läßt doch der Komponist in diesem Werk in Zusammenarbeit mit seinem Co-Librettisten, dem Dirigenten Clemens Krauss, eine Gesellschaft des ancien régime in einem Rokokoschloss nahe Paris über die Frage diskutieren, ob in der Oper dem Text oder der Musik der Vorrang gebühren soll.

Die Frage bleibt nach zweieinviertel Stunden ungelöst.
Das Stück stammt aus dem Jahr 1942; Mitten im Krieg!
Hatte man da wirklich keine anderen Sorgen?

Ominöse Walzerseligkeit

Diese Frage ist - wie manch andere in Sachen Richard Strauss - falsch gestellt.
»Capriccio« muß uns als Dokument der inneren Emigration eines Mannes gelten, der in seinen Jugendtagen Bannerträger der künstlerischen Moderne in Deutschland war und mit »Salome« und »Elektra« zwei Beispiele für die Tragfähigkeit avantgardistischer musikdramaturgischer Konzepte lieferte, deren Fortschrittlichkeit auch in der Rückschau unbestreitbar bleibt.

In einer Rückschau, die jene ominöse Walzerseligkeit des »Rosenkavaliers« hinzudenken muß, mit der Strauss scheinbar zum Konterrevolutionär geworden war.
Tatsächlich verfügte Strauss in seinen Opern über eine breite Palette von Möglichkeiten.
Er hat seine »Farben« immer neu, je nach künstlerischer Notwendigkeit, mit höchster Meisterschaft abgemischt.

Kühne, dissonanz-geschwängerte Harmonik und ungenierter E-Dur-Zauber gehen bei ihm Hand in Hand. Daß das gelingt, hat etwas mit Können zu tun, mit einer souveränen Beherrschung des Handwerks - Genie allein genügt ja nicht zum künstlerischen Glück. Das wusste Strauss noch ziemlich gut. Er dachte auch realistisch genug, um zu erkennen, worauf es seiner geliebten Opernkunst in Zukunft ankommen würde.

Stefan Zweig in der NS-Zeit

Hie und da forderte er freilich auch die Gegenwart heraus, indem er das schier Unmögliche forderte. So viel Ausweis von Charakterfestigkeit in der Zeit vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs musste sein: Am Vorabend der Uraufführung seiner »Schweigsamen Frau« (1935) erzwang er unter Androhung seiner Abreise aus der Uraufführungsstadt der meisten seiner Opern, Dresden, die Nennung des Namens des jüdischen Librettisten auf dem Abendplakat.
Er setzte sich durch.
Das Publikum erfuhr, daß der Text von Stefan Zweig stammte - und die nationalsozialistischen Bonzen blieben dieser Premiere fern . . .

Im Übrigen vermengt das Strauss'sche Denken Kunst und Politik nur insofern, als er die integrative Kraft eines funktionierenden Kulturlebens für einen Staat erkannte.
Dem entsprang der kühne Entschluss, in der Notzeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die Geschicke der Wiener Staatsoper zu übernehmen. An der Seite von Franz Schalk fungierte der Komponist und Dirigent Strauss als Direktor - und versicherte: Auch wenn aus der riesigen Habsburgermonarchie ein Kleinstaat hervorgegangen war, den viele nicht für lebensfähig hielten - aus seiner kulturellen Tradition könnte Österreich immer neue Kraft schöpfen.

Das Opern-»Testament«

Den nämlichen Grundsätzen verpflichtet ist ein weiteres »kulturpolitisches Dokument«. Noch im April 1945 schickte Strauss an den Uraufführungsdirigenten der »schweigsamen Frau», Karl Böhm, von dem er wusste, daß er wegen seiner kapellmeisterischen Qualitäten ein entscheidendes Wort im Musikleben nach dem Krieg mitzureden haben würde, ein »Testament« in Sachen Zukunft der Oper. Sie würde, so viel stand für Strauss fest, ein Museumsbetrieb sein, in dem die wichtigsten Stücke des Repertoires immer aufs Neue fein herausgeputzt »ausgestellt« würden.

Die Zukunft der Oper.

Dieser «Dauerausstellung« würden dann nach Maßgabe von Mode und Forscherneugier »Wechselausstellungen« als Ergänzung dienen - Kleingeister kritisieren den Titelkatalog, den Strauss in sein Schreiben damals integrierte: Natürlich firmierte da neben Richard Wagner fast alles aus Straussens eigener Küche; und manches, was uns teuer ist, etwa Verdis »Don Carlos«, wird verdammt, weil »Veroperungen« von Klassikern nach Meinung von Strauss auf der »deutschen Bühne« nichts zu suchen hätten.

Das sind freilich Geschmacksfragen, die von Generation zu Generation neu aufgeworfen werden können. An der Richtigkeit der Museumsthese - und der Zweckmäßigkeit der für Wien verlangten Symbiose von Staatsoper und Theater an der Wien (!) - ändert das nichts.

Der Rosenkavalier


Komponierte Erotik


Die Wiener Richard Strauss-Tradition, auf Tonträgern und in Videodokumenten.



Die Ballettmusik zu Josephslegende


↑DA CAPO