DRAMA IN EINEM AUFZUG von Oscar Wilde
Musik von Richard Strauss
In der Zisterne im Hof des Palastes des Tetrarchen Herodes darbt der gefangene Johannes und predigt das Kommen des Heilands und prangert die verderbte Hofgesellschaft um die Königin Herodias an. Deren Tochter Salome ist fasziniert von dem Propheten und kann Narraboth, den jungen Hauptmann der Palastwochen, bezirzen, den Gefangenen für kurze Zeit ans Licht zu lassen. Der entsetzte Narraboth tötet sich in Verzweiflung über Salomes ungenierte Avancen an den fanatisch seine Glauben beschwörenden Propheten. Johannes verflucht das Mädchen ob seiner erotischen Gelüste und steigt wieder in die Zisterne hinab. Als Herodes mit seinem Hofstaat erscheint und lüstern verlangt, Salome möge für ihn tanzen, willigt sie ein, nötigt dem Tetrarchen jedoch den Schwur ab, ihr daraufhin jeden Wunsch zu erfüllen. Herodes schwört: »und wär‘s die Hälfte meines Königreichs«.
Salome tanzt den Tanz der sieben Schleier und begehrt den Kopf des Propheten als Lohn. Herodes verspricht ihr stattdessen immense Reichtümer, doch Salome beharrt - zur Freude und Genugtuung ihrer Mutter. Der Henker hebt, wie verlangt, auf einer Silberschüssel das Haupt des Propheten aus der Zisterne. Salome kann nun tun, was Jochanaan ihr zuvor verweigert hatte: Sie küßt seinen Mund. Angeekelt befiehlt Herodes. »Man töte dieses Weib«
Probleme mit der Zensur
Daß Richard Strauss in seiner Zeit als kaiserlicher Hofkapellmeister in Berlin den Entschluß faßte, Oscar Wildes lasziven Einakter (in der deutschen Übersetzung des französischsprachigen Originals durch Hedwig Lachmann) in Musik zu setzen, konnten viele Zeitgenossen nicht verstehen. Kaiser Wilhelm kommentierte:
...ich mag ihn sonst recht gern. Aber ich glaube, er wird sich damit sehr schaden.
Der Komponist höhnte später:
Von dem Schaden konnte ich meine Villa in Garmisch bauen.
Tatsächlich war Salome ein Sensationserfolg. Das Sujet mit seiner schwülen, pervers angehauchten Atmosphäre traf den Nerv der Ära um 1900. Künstlerische Köpfe wie Gustav Mahler, damals Direktor der Wiener Hofoper, erkannten das Potential dieses Stücks sofort; doch die kaiserliche Zensur in der katholischen Habsburgermonarchie erlaubte eine Aufführung in einem Hoftheater nicht. Das Stück galt - wiewohl biblischen Ursprungs - auch in Berlin als verwerflich, doch kam der dortige Intendant auf den gloriosen Einfall, am Ende der Aufführung einen Stern am Himmel aufgehen zu lassen, der das Kommen der Heiligen drei Könige signalisieren sollte - und Salome durfte die Zensur passieren...
In Österreich kam Salome freilich nicht an der von Mahler geführten Hofoper, sondern in Graz zur Erstaufführung; in Wien durfte die Volksoper das Werk spielen; die Staatsoper erst nach Ende der Donaumonarchie.
Die Musik
Die in ungeheurer Virtuosität instrumentierte, schillernde Klangsprache trieb die Harmonik in bis dahin ungeahnte Bereiche voran, um in den entscheidenden Momenten doch immer wieder in romantisch-schwelgerische Spätromantik zu münden.Salome wurde zu einem Schlüsselwerk der musikalischen Moderne, gleichzeitig aber zu einer der wenigen von deren repertoiretauglichen Opern.
Aufnahmen
Rundum geglückt ist die Aufnahme, die anläßlich der Premiere einer Neuinszenierung an der Wiener Staatsoper entstand, 1971, unter Karl Böhms Leitung mit der Idealbesetzung Leonie Rysanek (Salome), Eberhard Waechter (Jochanaan) und Hans Hopf (Herodes), die ein vokales Gegengewicht zur überwältigenden orchestralen Leistung erzielen konnten. (RCA)
Gehört haben muß man die Live-Aufnahme der exzellent besetzten Met-Produktion von 1952 unter Fritz Reiner, die - trotz technischer Mängel der Aufnahme - einen akustische Begegnung mit der legendären Salome-Interpretin der Nachkriegsära bietet: Ljuba Welitsch stattete die Partie mit einem sinnlichen Sopranglanz aus wie keine Konkurrentin auf Tonträgern.
Dazu eine grandiose Herodias (Elisabeth Höngen), und zwei Stars als Herodes und Jochanaan: Set Svanholm und Hans Hotter.
Den internationalen Durchbruch schaffte Ende der Siebzigerjahre Hildegard Behrens mit ihrer Interpretation der Titelpartie unter Herbert von Karajans Leitung: Während der Probenphase zu dieser Salzburger Festspielproduktion entstand in Wien ein (auch aufnahmetechnisch superbe) Studio-Gesamtaufnahme von irisierender Farbenpracht. (EMI/Warner)
Die Suche nach einer besonders jugendlichen Darstellerin für die heikle, weil musikalisch in hochdramatische Regionen reichende Titelpartie, hat schon Richard Strauss selbst in einem Fall zu für ihn ungewohnt weitgehenden Kompromissen verführt: In einem Handexemplar der Partitur strich er etliche Orchesterstimmen, um den Klang aufzulichten und schrieb aufs Titelblatt: »Nur für die Cebotari«.
Wütende Attacken mußte sich Jahrzehnte später Karl Böhm gefallen lassen, als er den Soundtrack für eine Verfilmung der Salome durch den Regisseur Götz Friedrich aufnahm und es zuließ, daß die zarte, aber tatsächlich jugendlich-helle Sopranstimme der Teresa Stratas durch die Aufnahmetechnik kunstvoll zum volltönenden Spiel der Wiener Philharmoniker hinzugemischt wurde. Dirigentenkollege Sergiu Celibidache ätzte: »Ein solcher Dirigent ist nicht mehr wert als leerer Kartoffelsack!«. Der Film (DG) gilt freilich als seltener Glücksfall im heiklen Genre des Opern-Videos.