MÄRCHEN IN DREI AUFZÜGEN
Die »Frau ohne Schatten« in Wien
Für die Wiener Staatsoper hat es mit dieser »Frau ohne Schatten« eine besondere Bewandtnis
Dem aufwendigen Märchen-Spiel von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss galt eine der wenigen bedeutenden Uraufführungen, die je im Haus am Ring stattgefunden haben. Aber auch die Frau ohne Schatten hatte nicht den Sensationsstart, den man ihr gewünscht hätte.
1919, der Krieg war verloren, die Ressourcen waren knapp. Man hätte eher ein sparsames Stück von der Machart der Geschichte vom Soldaten gebraucht, die Igor Strawinsky zur nämlichen Zeit entwarf. Aber Hofmannsthal und Strauss planten – noch in Friedenszeiten der Habsburger-Monarchie – ein repräsentatives Opernmärchen in Riesenbesetzung, neue szenische Verwandlungen inklusive.
Man erkannte zwar die Bedeutung der Dichtung und der ungemein erfindungsreichen Partitur an, aber an lange Aufführungsserien der anspruchsvollen Komposition war nicht zu denken. Immer blieb es bei akribisch vorbereiteten Neueinstudierungen, die aber mangels finanzieller Möglichkeiten rasch wieder aus dem Spielplan verschwanden.
Immer waren es die vertrauten Sachwalter des Komponisten, die der Frau ohne Schatten zu ihrem Recht verhelfen wollten: Erst Clemens Krauss als Staatsoperndirektor oder als Gast bei den Salzburger Festspielen. Und später Karl Böhm: Er machte mit dem Wiener Ensemble die erste Schallplattengesamtaufnahme des Werks (allerdings mit Kürzungen).
Er widmete als Kurzzeitdirektor der Frau ohne Schatten auch eine der Festpremieren anlässlich der Wiedereröffnung des Hauses am Ring. Er betreute Neueinstudierungen in Paris und New York und vor allem bei den Salzburger Festspielen 1974.
Auch die damalige Reaktion ist typisch: Man plante einige Aufführungen – und rechnete nicht mit dem enormen Erfolg Böhms und seines Traumteams mit Leonie Rysanek und Christa Ludwig als den beiden schattenlosen Frauen sowie Walter Berry als unvergesslichem Färber Barak. Die Planungen für den Festspielsommer 1975 mussten über den Haufen geworfen, die Frau ohne Schatten noch einmal angesetzt werden.
Das war vielleicht der endgültige Durchbruch. Zwei Jahre später kam das Stück nach 13-jähriger Pause wieder in den Wiener Spielplan zurück. In jener Produktion, mit der sich Herbert von Karajan als dirigierender und inszenierender Direktor 1964 verabschiedet hatte. Er stellte im Mittelakt sogar die Szenenfolge um, weil das Stück noch immer als viel zu kompliziert galt.
Vor der Premiere 2019
Die Striche, die Böhm in der Partitur vorgenommen hatte, übernahm 1999 sogar noch Giuseppe Sinopoli für die Premiere der missglückten Inszenierung Robert Carsens. Christian Thielemann dirigierte zum 100. Geburtstag des Werks erstmals seit langem eine Aufführung ohne jeglichen Strich. Er hatte das mit den Philharmonikern bereits im Salzburger Festspielhaus gewagt. In Wien stand ihm 2019 eine Luxusbesetzung zur Verfügung: Camilla Nylund war an der Seite des bewährte Kaisers von Stephen Gould erstmals die Kaiserin, Nina Stemme debütierte als Färberin an der Seite von Wolfgang Kochs Barak, und Evelyn Herlitzius, in Salzburg die Färberin, gab fulminant die rätselhafte Zauberfigur der Amme. Die umuubelte Produktion wurde auf CD und DVD dokumentiert.