Hans Heiling

Heinrich Marschner. Text: Eduard Devrient.
Uraufführung: 1833, Berlin.

PERSONEN DER HANDLUNG:Die Königin der Erdgeister (Sopran) – Hans Heiling, ihr Sohn (Bariton) – Anna, seine Braut (Sopran) – Gertrud, ihre Mutter (Alt) – Konrad, gräflicher Leibschütz (Tenor) – Stephan, Dorfschmied (Baß) – Niklas, Schneider (Sprechrolle)

Im böhmischen Erzgebirge (XIV. Jahrhundert)


HANDLUNG



Vorspiel

»Im tiefsten Grund der Erde«.
Hans Heiling muß auf seinen Herrschaftsanspruch im Geisterreich verzichten. Nur so darf er sich mit einer Irdischen vermählen. Die Warnungen seiner Mutter und der Erdgeister schlägt er in den Wind. Er freut sich auf ein Leben an Annas Seite.

I. Akt

Anna wird von ihrer Mutter gedrängt, den reichen Freier zu heiraten. Doch Anna denkt an Konrad, und fürchtet sich vor dem Anblick eines Zauberbuches, das Heiling aus seiner Welt mitgebracht hat: Es bewegt sich, wenn man es aufschlägt. Sie bittet Heiling, dieses Buch zu verbrennen.

Heiling erfüllt ihr den Wunsch. Er hat damit die letzte Verbindung zum Geisterreich vernichtet. Sein Glück, so verkündet er Anna, liegt nun ganz in den Händen der geliebten Frau.
An jenem Tag, da du mir Treue versprochen


Auf dem Dorffest weigert sich Heiling zu Tanzen. Anna, immer noch mißtrauisch gegen ihren Verlobten, tanzt trotz dessen Verbot mit Konrad. Heiling ist enttäuscht: »Sie hat mich nie geliebt.«

II. Akt

Nächtliche Landschaft. Anna ist zerrissen zwischen ihrem Treuegelöbnis und der aufkeimenden Liebe zu Konrad. In einer Vision verkündet ihr die Königin der Erdgeister Heilings Herkunft und warnt sie vor einer Heirat. Konrad spürt das panische Mädchen auf und begleitet sie heim - sehr zum Mißfallen der Mutter bittet er um ihre Hand. Im selben Augenblick, da Heiling ihr den Brautschmuck überreichen möchte. In Konrads Armen nennt sie Heiling einen Erdgeist. Der sticht auf den Nebenbuhler ein - und macht sich davon.

III. Akt

Voll Verachtung auf die Menschen, bittet Heiling in sein Reich zurückkehren zu dürfen. Die Geister verwehren ihm den Eintritt und verkünden spöttisch, Konrad sei nur leicht verletzt und könne morgen Hochzeit mit Anna feiern. Auf Geheiß der Königin erhält Heiling die Insignien seiner Macht zurück - und schwört blutige Rache. –

Trauungs-Zeremonie. Heiling erscheint.
Ha! Ihr glaubt euch schon am Ziel
. Während nach altem Brauch Braut und Bräutigam einander mit verbundenen Augen suchen müssen, ergreift er Annas Hand. Konrads Schwertklinge zerbricht an Heilings Brust. Während Anna um Gnade für Konrad fleht, erscheint in der plötzlich hereingebrochnen Finsternis die Königin der Erdgeister, um Heiling Einhalt zu gebieten: Daheim im Geisterreich werde aller Schmerz ein Ende haben.


Das Werk

Die Geschichte des Geisterfürsten ist nach einer böhmischen Sage in Grimms Märchenbuch verewigt. Sie diente Christian Heinrich Spieß als Grundlage für einen Roman und Theodor Körner für die Erzählung Hans Heilings Felsen.

Diese Erzählung war die Basis für Eduard Devrients Libretto, das er 1827 für Felix Mendelssohn Bartholdy dichtete. Doch Mendelssohn befand, das Sujet enthielte zu viele Ähnlichkeiten mit Webers Freischütz und schlug das Angebot aus. Vier Jahre später erhielt Marschner das Buch anonym zugesandt und fing Feuer. Bereits im August 1832 lag die Partitur vollendet vor.

In Marschner Musik sind die Geister allgegenwärtig. Durch ihre ununterbrochene Einwirkung wird die Ausweglosigkeit von Heilings Buhlen um die Gunst der Menschen spürbar.

Formal ungewöhnlich, trennt Marschner das erläuternder, durchkomponierte Vorspiel durch die nachfolgende Ouvertüre (deren Hornmotiv später zum Final-Thema von Antonín Dvořáks Symphonie aus der Neuen Welt wurde) von den eigentlichen Akten der Handlung. Die 19 Nummern der Oper sind manchmal durch Dialoge, manchmal durch Rezitative verbunden, doch versucht der Komponist die klassische Struktur immer wieder aufzulösen. Eindrucksvoll die langen Melodramen, die in Arien übergehen:
Nr. 12, Des Nachts wohl auf der Heide
Nr. 14, Ich bin am Ziel

Nach der Premiere schob Marschner noch eine Arie für den Titelhelden (Ha! Ihr glaubt euch schon am Ziel) ein. Das Werk hielt sich bis ins frühe XX. Jahrhundert auf den deutschen Bühnen, konnte aber danach auch durch eine Bearbeitung von Hans Pfitzner nicht der Vergessenheit entrissen werden.

Erst Ende der Neunzigerjahre dirigierte Christian Thielemann eine viel beachtete - und musikalisch atemberaubend dichte - Neuproduktion an der Deutschen Oper Berlin mit Wolfgang Schöne, die leider nicht aufgezeichnet wurde. Das wäre die einzig taugliche Möglichkeit, sich ernsthaft mit dem Werk auseinanderzusetzen.

Das Theater an der Wien zeigte Hans Heiling 2015 in einer kurzen Aufführungsserie, in der Heiling (Michael Nagy) als verkorkster Kunstphotograph gezeigt wurde, der von seiner Mutter (Angela Denoke) seit früher Kindheit sexuell mißbraucht worden war -- eine pseudopsychologische Vergewaltigung, die gottlob nur wenige Abende zu sehen war.

Essen hatte mit seiner Produktion im Aalto Theater etwas mehr Glück. Der Livemitschnitt erschien bei Oehms Classics.
Viele Jahre das einzige greifbare Tondokument des Meisterwerks: eine Rundfunkproduktion von 1951 unter Wilfrid Zillig. (Myto)

↑DA CAPO