Orpheus und Eurydike

Krenek nach Kokoschka

Konzertante Aufführung, Salzburg 1990

(Orfeo)

Oskar Kokoschka dichtete seine Orpheus-Version 1915 und überarbeitete sie 1917 noch einmal. Als Protokoll seiner stürmisch bewegten Liebesaffaire mit Alma Mahler wurde das Stück zu einer mythologisch überhöhten Metaphernfolge höchst irdischer - und moderner - Beziehungskonflikte. Jahrzehnte später meinte der Künstler, er hätte dieses, sein viertes Drama, nach seiner Kriegsverwundung in russischer Gefangenschaft

gesprochen, geflüstert in Ekstase, im Delirium, geweint, gefleht, geheultin Angst und Fieber der Todesnähe.
Die Darstellung auf der Bühne sollte distanziert pantomimisch und mit Tänzen durchsetzt sein. Die Handlung, in der Eurydike zwischen Hades und Orpheus steht, gibt sich weniger psychologisierend als daß sie nach Symbolen für chthonische Urkräfte sucht. Wie im Mythos wird Eurydike von den Furien in die Unterwelt entführt. Als Orpheus sie nach sieben Jahren wieder gewinnt und übers Meer heimführt, sind die Liebendenden einander entfremdet. Eurydike erwartet ein Kind von Hades, dem Sinnbild der zeugenden Urkraft und ewigen Regeneration. Orpheus läßt sie auf der Barke zurück. Nach einem letzten Versuch, sich - wiederum nach sieben Jahren - durch die Trümmer seines zerborstenen Hauses ein Loch in die Unterwelt zu graben, kommt es zur letzten Vereinigung der Liebenden, gleichzeitig zur Vereinigung von Tod und Leben - unter Preisgabe (oder besser: Einschmelzung) aller Emotionen: Orpheus' letzte Worte:
Hinter Liebe bis in den Tod steckt - Haß!
Orpheus verbrennt an der Umarmung wie Semele an Zeus. Eurydike singt:
So im letzten Kampf umarmend
voller Entsetzen,
für letzten Kuß, aus des Orpheus' erstarrten Kiefern
lös' ich mich endlich ledig.
Krenek resümiert:
Eurydikes Geist erscheint zur letzten Abrechnung mit Orpheus. Sie will für immer von ihm frei werden. Beide finden ihre Ruhe erst, wenn Eurydike dem Orpheus alles Leid zurückgegeben und ihn getötet hat. Mit ihnen stirbt das Unglück.
Krenek hatte Kokoschka, der nach einem Komponisten für eine Schauspielmusik suchte, überzeugen können, aus dem Drama ein Opernlibretto zu machen. Er vertonte es in freier (A-)Tonalität, ganz im expressionistischen Idiom der Zeit.




↑DA CAPO