Pallas Athene weint

Ein politischer und ethischenr Diskurs, zum Opernlibretto verdichtet von Ernst Krenek.

Walter Kobera und seine Neue Oper Wien zeigten 2016 diese Rarität in der Halle E des Wiener Museumsquartiers; und das war selbstverständlich eine Großtat, auch wenn man nicht der Ansicht sein muss, dass Kreneks zwölftönige Bearbeitung der Geschichte um den Niedergang Athens die Sehnsucht weckt, sie wiederzuhören.

Die Produktion - von Christoph Zauner dankenswerterweise ganz librettogetreu inszeniert - packte vor allem, weil die junge Sängerriege, von der suggestiven Klangkulisse des Tonkünstlerorchesters animiert, es verstand, die Brisanz der philosophisch-politischen Botschaft des Textes zu transportieren.

Politische Botschaften

Diese ist vieldeutiger, als manche meinen - und jedenfalls höchst aktuell! Krenek hat in der Zeit des US-Inquisitors McCarthy ein durchaus distanziert-skeptisches Bild menschlicher Schwächen und Niederträchtigkeiten in einer Ära des zivilisatorischen Niedergangs gezeichnet. Das Volk leicht verführbar, die Intelligenzija feig oder zynisch oder auf Teufel komm raus verwegen. Ein Sokrates (warm und ausdrucksvoll timbriert: Klemens Sander) inmitten, der seinen Schülern den Weg zur Vernunft nicht zu weisen vermag.

Der schöne Alkibiades (imposant in heldische Regionen sich entwickelnd: Franz Gürtelschmied) verdreht Priesterinnen und Königinnen den Kopf und ist ein Haudegen ohne Skrupel und politisches Gewissen.

Meletos wiederum (Lorin Wey) gibt den altgriechischen Bruder von Wagners Loge, grenzenlos machtbesessen und strategisch zielgerichtet. Zwischen solchen Gestalten zerfällt ein Staatensystem, dessen Grundwerte seine satt und bequem gewordenen, selbstsüchtigen Nutznießer nicht mehr verteidigen wollen. Pallas Athene (Mareike Janowski) weint ausdrucksstark über das Ende ihrer Welt.

Und unsereiner sieht sich dem Spiel der Agitatoren und Verhetzer im kleinen Saal unentrinnbar ausgesetzt, überlegend, welche Parallelen zur dekadenten Gegenwart sich ausfindig machen lassen. Dass sie mittels Repertoire-Durchforstung solche Anregungen gibt, wird man der Neuen Oper weiterhin dankbar anrechnen.


↑DA CAPO