Tamerlano

Viele Kenner halten Tamerlano für Händels fortschrittlichste Oper. Lange bevor Christoph Willibald Gluck zu seiner die Wahrhaftigkeit auf dem Theater suchenden Opernreform ansetzte, verzichtete Händel hier ein auf jede szenische Ablenkung und jeden Anflug einer Nebenhandlung verzichtendes Werk, in dem sich die Handlung von Szene zu Szene weiter verdichtet. Ein singulärer Höhepunkt in der Entwicklung der Barockoper ist der Selbstmord des vom Mongolen-Führer Tamaerlan (Timur Lenk) besiegten Osmanen-Herrschers Bajazet, der auf offener Bühne stattfindet. Dieser Tabubruch machte Händel zu einem Vorreiter der Bühnen-Wahrhaftigkeit - lediglich der Tod des Sultans durfte nicht auf der Szene gezeigt werden; er wird sterbend hinausgetragen.

Das Sujet basiert auf einem Libretto, das 1711 erstmals vertont wurde und von Vivaldi zu einem viel gespielten Pasticcio verdichtet hatte: Bajazet.

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Aufnahmen

Eine Pionierleistung war die Ersteinspielung durch Jean-Claude Malgoire, die für Sammler eine Besonderheit bietet: René Jacobs, später selbst führender Maestro bei der Wiederentdeckung barocker Kostbarkeiten, ist hier noch als Sänger zu erleben: in der Partie des Andronico. (Sony)

Die jüngste Gesamtaufnahme ist eine Angelegenheit für Freunde von Countertenor-Stars: Zwei Virtuosen, Xavier Sabata (Tamerlan) und Max Emanuel Cencic (Andronicus), stehen einander in den Hauptpartien gegenüber - Riccardo Minasi sorgt für wild-bewegte Emotionen im orchestralen Part seines Ensembles Il pomo d'oro. Seine Leistung läßt die bisher erste Wahl, die → Aufnahme unter Gardiner (mit Derek Ragin als Tamerlan und Michael Chance als Andronicus) blaß klingen...

↑DA CAPO

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