Semele
Händels Semele hat man mehr als einmal als die bedeutendste englischsprachige Oper zwischen Purcells Dido und Aeneas und Brittens Peter Grimes bezeichnet. Auch wenn die Musikgeschichte dem Werk einen Platz unter Händels Oratorien - irgendwo zwischen dem Messias und Jephtha zugeordnet hat. Tatsächlich ist Semele ein Beweis für die Theaterpranke dieses Komponisten, eines der wirkungsvollsten Bühnenspektakel der Barock-Ära.
Aufnahmen
John Eliot Gardiner hat gleich zwei bedeutende Aufnahmen von Semele vorgelegt. Eine mit Anthony Rolfe Johnson und Norma Burrowes, die makellos schön gesungen wurde und dank der Lebendigkeit der Gestaltungskunst von Della Jones als Juno auch über ein gehöriges Maß an Komödiantik verfügt.
Eine → zweite Aufnahme unter Gardiner entstand nahezu vier Jahrzehnte später anläßlich einer konzertanten Live-Aufführung in London. Und die macht in ihrer musikalischen Dramatik jegliche Bühnenfassung überflüßig. Das Wohnzimmer wird dank dieser CD zum imaginären Theater.
Schon die erzählmächtige, detailfreudig fabulierende Orchestersprache, die Gardiners Musiker sprechen, sorgt für bunteste Farben. Die Dialoge aber leben in dieser Wiedergabe - und immer wieder hören wir das Publikum herzhaft lachen - etwa wenn Juno (schneidend charakterisiert von Lucille Richardot) ungeduldig den unbeschwerten Auftritt der Iris (Emily Owen) unterbricht. Die Finalszene zwischen Jupiter - dem jugendlich-virilen Hugo Hymas - und der wunderbar farbenreichen Semele von Louise Alder gehört zum Sinnlichsten, das via Tonträger je vermittelt wurde.
Die übrigen Partien sind alle mit charakterlich deutlich voneinander unterscheidbaren Stimmen besetzt, hinreißend der wollüstig, dabei aber kindlich tönende Cupido von Angela Hicks.
Wer den Spaß doch gern auch optisch erleben möchte, ist mit der Aufzeichnung von Robert Carsens Zürcher Produktion bestens bedient, in der Cecilia Bartoli unter William Christies Leitung komödiantisch wie vokal brilliert. (Decca)