Roméo et Juliette

Charles Gounod

Uraufführung: Paris, 1867

PERSONEN DER HANDLUNG

Juliette, Capulets Tochter (Sopran) – Stéphano, Romeos Page (Sopran) – Gertrude, Julias Amme (Mezzosopran) – Roméo, aus der Familie Montaigu (Tenor) – Tybalt, Capulets Neffe (Tenor) – Benvolio (Tenor) und Mercutio (Bari- ton), Romeos Freunde – Le Comte Pâris (Bariton) – Grégorio, Diener bei Capulet (Bariton) – Le Comte Capulet, Julias Vater (Baß) – Der Herzog von Verona (Baß) – Frère Laurent (Baß) – Frère Jean

Verona, XIV. Jahrhundert



HANDLUNG

Der Chor beklagt die blutige Fehde zwischen den Häusern Capulet und Montaigu.

1. Akt
Mit einem Maskenball feiert die Familie Capulet den Geburtstag Julias, die mit Paris, Tybalts Freund, verlobt werden sol. Maskiert erscheinen einige Mitglieder der verfeindeten Familie Montaigu - darunter Romeo und Mercutio. Mercutio gelingt es nicht, mit seiner Ballade von der »Königin Mab« zu provozieren

Mab, la reine de mensonge

Romeo hat nur noch Augen für die bezaubernde Julia. Julia indes hat keine Lust, sich mit dem Grafen Paris zu verloben. Sie möchte frei sein und das Leben genießen.

Ah, je veux vivre
Als Romeo sie anspricht, ist es Liebe auf den ersten Blick.
Madrigal: Ange adorable

Nach dem ersten Kuß, als Julia Tybalt »Cousin«, erkennt Romeo die Tragweite seiner Leidenschaft - Tybalt erkennt ihn und kann nur durch Vater Capulet davon abgehalten werden, Romeo tätlich anzugreifen.

2. Akt

Der Page Stéphano hilft Romeo dabei, in den Garten der Capulets zu gelangen. Romeo träumt von seiner Geliebten.

Cavatine. Ah, lève-toi soleil

Das zärtliche Stelldichein mit Julia, einmal von den Eltern des Mädchens unterbrochen, endet mit einem leidenschaftlichen Heiratsantrag. Doch der Ruf der Mutter trennt die Liebenden.

3. Akt

Bruder Laurentius traut das Paar in seiner Klause. Mutter Gertrud beten mit den dreien für Frieden zwischen den verfeindeten Familien.

Vor dem Haus der Capulets singt Stéphano ein Spottlied auf Julia

Chanson. Depuis hier je cherche mon maître
. Gregorio fordert ihn zum Duell. Als Romeo versucht, die Kampfhähne auseinanderzubringen, fordert ihn Tybalt. Romeo weigert sich, doch Mercutio nimmt an - und wird von Tybalt getötet. Daraufhin rächt Romeo den Freund - und wird vom zu Hilfe gerufenen Herzog aus Verona verbannt. Doch der Friedensappell des Herzogs verhallt ungehört.

4. Akt

Die Lerche verkündet den Tagesanbruch nach der Hochzeitsnacht; Romeo muß davon. Julias Eltern erscheinen mit Bruder Laurentius - Tybalts letzter Wille soll erfüllt werden: die sofortige Heirat Julias mit Paris.

Laurentius steckt dem Mädchen eine Ampulle mit einem Mittel zu, das sie in einen todesähnlichen Schlaf versetzen kann. Romeo soll sie später aus der Grabkammer befreien.
Tatsächlich versinkt sie, als der Vater mit dem Bräutigam erscheint, scheinbar tot zusammen.

5. Akt

Bruder Laurentius erfährt, daß Roméo den Brief nicht erhalten hat, der ihn vom »Scheintod« Julias informieren sollte. – Romeo ist in die Familiengruft der Capulets eingedrungen und vergiftet sich aus Verzweiflung. Er erlebt noch, daß Julia erwacht - sie erinnern sich ihrer Hochzeitsnacht. Dann ersticht sich Julia. Sterbend bittet das Paar Gott um Vergebung.


Das Werk

Shakespeares Stück beschäftigte Gounod seit seiner Begegnung mit Berlioz' »dramatischer Symphonie« im Jahre 1839. Als Stipendiat des Rom-Preises vertonte er während seines Aufenthalts in der »Ewigen Stadt« 1842 einige Szenen aus dem Stück - vermutlich basierend auf dem Libretto von Bellinis I Capuleti e i Montecchi. Erst 1864 aber erfährt die Sängerin Pauline Viardot-Garcia brieflich von Gounods Vorhaben, eine »Romeo und Julia«-Oper zu schreiben. Ganz offenkundig hatte der Komponist zunächst vor, das Sujet in der Art einer Opéra Comique - also mit gesprochenen Dialogen - zu vertonen. Léon Carvalho, der Intendant des Théâtre-Lyrique, an dessen Haus das Werk schließlich uraufgeführt wurde, konnte Gounod überreden, die Handlung doch in Rezitativen voranzutreiben, das gesprochene Wort zu eliminieren und einige für eine »große Oper« unabdingbare Ensembles zu integrieren.

So entstand der Hochzeitszug im vierten Akt in den bei der Erstaufführung in der Opéra, 1888, auch ein Ballett integriert werden konnte.

Auch die Interpretin der Julia anläßlich der Uraufführung, Marie Miolan-Carvalho, hat ihren Anteil an der endgültigen Werk-Gestalt. Sie wünschte sich eine Solo-Nummer, mit der sie der Arie des Romeo (gesungen von Jules Michot) Paroli bieten konnte - und erhielt die Walzer-Arie Ah, je veux vivre, die zur populärsten Nummer der Oper werden sollte.

Gounods dramaturgische Vision, seine Shakespeare-Oper rund um eine Reihe von lyrischen Duetten des Liebespaars aufzubauen, hat durch diese Eingriffe nicht wirklich Schaden genommen. Die Duette blieben die formtragenden Elemente:

Ange adorable (1. Akt)
Ô nuit divine! Je t'implore (2. Akt)
Va je t'ai perdonné (4. Akt)
Dieu! quelle est cette voix (Finale).

Shakespeares Vorlage blieb man so treu, wie für eine musikalische Umwandlung möglich - hinzuerfunden haben die Autoren lediglich die Figur des Stéphano, der bei Shakespeare nicht vorkommt.

Die Uraufführung im April 1867 - anläßlich der Pariser Weltausstellung - war ein triumphaler Erfolg. Obowohl Gounod sich damals gegen schier übermächtige Konkurrenz durchzusetzen hatte: Die Opéra präsentierte die Uraufführung von Verdis eigens für diesen Anlaß komponiertem Don Carlos, Offenbach brachte seine brillante Großherzogin von Gerolstein heraus.

Dennoch brachten es Romeo und Julia auf 100 Vorstellungen en suite.

1873 konnte Gounod dann noch seine ursprüngliche Vorstellung einer intimeren Version realisieren: Für die Aufführungsserie an der Opéra Comique strich er die Rezitative und das große Ensemble - und fügte, wie ursprünglich geplant, Dialoge ein.

Den internationalen Siegeszug des Werks brachte aber doch die »große«Fassung der Uraufführung - meist um den Auftritt des Bruder Lorenzo am Beginn des fünften Akts gekürzt. Der Tenor Jean de Rezske, der erste Romeo an der Opéra de Paris, 1888 an der Seite von Adelina Patti, gab die Partie auch in London und New York. Georges Thill, Jussi Björling und Benjamino Gigli, Nellie Melba, Geraldine Farrar, Mary Garden, und Selma Kurz waren in der Folge legendäre Interpreten der Titelpartien. Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es bis zur Neueinstudierung mit Mirella Freni und Franco Corelli an der New Yorker Met, daß sich die internationalen Intendanten wieder des Werks erinnerten.

An der Wiener Staatsoper dauerte es bis zum Jahr 2001, daß das Werk nach Jahrzehntelanger Pause wieder auf dem Spielplan erschien. Die Premiere der Inszenierung von Jürgen Flimm in einem interessanten, lediglich aus Beleuchtungstürmen bestehenden, ausschließlich mit Lichteffekten arbeitenden »Bühnenbild« geriet mit Stefania Bonfadelli und dem schon etwas reifen Romeo Neil Shicoffs zwar durchwachsen.

→ Premierenkritik

Die Produktion bot aber in der Folge Duettpartnern wie Sonya Yoncheva mit Piotr Bezala (2013) oder Marina Rebeka (2016) und Aida Garifullina (2017) mit Juan-Diego Flórez den stimmungsvollen Rahmen.

↑ DA CAPO