Die Puritaner

personen der handlung
Lord Walter, Gouverneur und Puritaner (Baß) Elvira, seine Tochter (Sopran) Sir George, Oberst a. D., Waltons Bruder (Baß) Oberst Richard Forth, Puritaner (Bariton) Sir Bruno Roberton, Puritaner (Tenor) Lord Arthur Talbot, Anhänger der Stuarts (Tenor) Henriette von Frankrich, Witwe Karls I., alias Madame Villaforte (Sopran)







ERSTER AKT

Elvira, die Tochter Lord Waltons, des Gouverneurs der Festung von Plymouth, steht zwischen den politischen Fronten. Sie wird von zwei Männern begehrt, Arthur, einem heimlichen Parteigänger der Stuarts, und Oberst Forth, der wie Elviras Vater fanatischer Puritaner ist und dem Elviras Hand versprchen wurde. Doch das Mädchen liebt Arthur und konnte beim Vater ihre Vermälung mit ihm durchsetzen. Vor der Hochzeit jedoch kommt die Politik ins Spiel. In der Festung wird unter dem Namen Henriette Villaforte eine Dame gefangen gehalten, von der Arthur erfährt, daß es sich in Wahrheit um die Witwe des französischen Königs Karl I. handelt. Sein Verantwortungsbewußtsein zwingt ihn, die Königswitwe aus der Haft zu befreien. So sieht er sich genötigt, am Hochzeitsabend mit Henriette zu fliehen. Forth, der dadurch seinen Rivalen verliert, verhilft den beiden zur Flucht. Doch Elvira, aus unerklärlichen Gründen von ihrem Bräutigam verlassen, verfällt dem Wahnsinn.

ZWEITER AKT

Elvira sucht im Wahn ihren Geliebten. Die Puritaner versuchen einen neuerlichen Aufstand der Royalisten niederzuschlagen. Sie rufen mit ihrem Kampf auch zur Rache an Arthur, der in absentia zum Tod verurteilt wurde.

DRITTER AKT

Die Truppen der Stuarts haben die Schlacht verloren. Als Arthur erscheint, um Elvira sein Verhalten zu erklären, bessert sich der Zustand des Mädchens. Doch der Eindringling wird entdeckt und verhaftet. Als man ihn zum Schafott führt erscheint ein Bote Cromwells ein. Er verkündet den Sieg der Puritaner und die Begnadigung aller Gefangenen. Der Hochzeit Arthurs und der vollständig wieder genesenen Elvira steht nichts mehr im Wege.





Aufnahmen

Wie sooft im Belcantofach war auch im Falle der Puritaner Maria Callas die treibende Kraft bei der Wiederbelebung des Werks im XX. Jahrhundert. Eine der frühesten Aufnahmen, mit der die Sängerin bei Kennern Furore machte, galt der zentralen Arie der Elvira Qui la voce. (→ idagio/Warner)

Die Gesamtaufnahme, die unter Tullio Serafin 1953 produziert wurde, präsentiert die Diva in glänzender Form. Sie singt die Partie mit allen Zwischentönen und melodramatischen Ausdrucksnuancen, die nötig sind, verfügt überdies über die vollkommenste Technik für die weiten Melodiebögen Bellinis. (EMI/Warner)

Randnotizen

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Die Aufnahme dokumentiert freilich auch das Elend der Bellini-Rezeption im XX. Jahrhundert. Während die Callas in ihrer einzigartigen Bravour die technischen Anforderungen des Belcanto mit der modernen Ausdruckskunst zur Deckung zu bringen wußte, gab es keinen Tenor, der imstande gewesen wäre, die - für den legendären Rubini komponierte - bis zum hohen F (!) reichende Partie des Arturo auch nur annähernd zu bewältigen, schon gar nicht in Anlehung an jene kunstvolle Mixturtechnik zwischen Brust- und Kopfregister, die Rubini offenkundig perfekt beherrscht hat und die Hörerschaft ins Schwärmen brachte: Dieser Gesang reiche in den »siebenten Himmmel«.

Recht irdisch muten dagegen die Versuche des Lieblingspartners der Callas, Giuseppe di Stefano, an, dessen wunderbar männliches Timbre in der Region um das hohe C herum bereits unangenehm gepreßt klingt - und alle darüber liegenden Töne nur mit äußerster Mühe zu realisieren trachtet. Die beiden probierten ihre diesfalls recht ungleichen Künste 1952 live an Bellinis Werk in Mexico City aus, um dann im Jahr darauf in Mailand inst Plattenstudio zu gehen.

Von »Beherrschung«, gar von einer den vollendeten Gesangskünsten der Callas ebenbürtigen Leistung kann bei di Stefano zwar keine Rede sein. Allerdings, das muß zur Ehrenrettung des Tenors gesagt werden, erzählt er die Geschichte mit höchster dramatischer Intensität. Man erlebt das Stück, auch psychologische Balanceakte wie die Seelenqualen, die Arthur erleidet, wenn er seine Geliebte aus Staatsräson verlassen muß! Kein Nachfolger - zumindest bis zur Heraufkunft einer technisch besser ausgebildeten Sängergeneration nach 2000 - hat diese Partie je besser gesungen . . .

Problematisch für eine Hörer-Generation, die daran gewöhnt ist, Werke in möglichst unverfälschten Versionen zu erleben, ist im Falle Bellinis die Situation in Sachen Texttreue. Auch Serafins kapellmeisterisch souveräne Darstellung bietet die Partitur in einem arg korrumpierten Zustand mit etlichen Kürzungen. Die Tatsache, daß Bellini selbst an seinen Werken immer wieder gefeilt hat, macht die Sache ebensowenig einfacher wie die mangelnde Quellenlage.

Richard Bonynge, musikologisch firmer Ehemann der nobel-perfekten Primadonna Joan Sutherland, hat für die Studio-Aufnahme mit seiner Frau (London, 1973) eine weitaus vollständigere Ausgabe der Partitur hergestellt. Die Sutherland singt an der Seite des brillanten, strahlend reüssierenden Luciano Pavarotti vor allem den in der Callas-Aufnahme ausgesparten Mittelteil des Duetts im dritten Akt und zuletzt auch eine Stretta im Schluß-Rondo. Sie tut es virtuos, dynamisch fein schattiert, aber ohne die roten Blutkörperchen, mit dem die Callas ihren Gesang anzureichern imstande war. Dennoch ist die Decca-Aufnahme für Liebhaber glamouröser Stimmen unverzichtbar: Die Herrenriege neben der Sutherland ist illuster: Piero Cappucicilli ist der Riccardo. Nicolai Ghiaurov Sir Giorgio. Pavarotti hatten den Arthur seit 1968 verschiedentlich bei Live-Aufführunben gesungen hatte - unter anderem 1969 an der Seite von Mirella Freni unter Riccardo Muti für die RAI in Rom.

Der silbewußt-strenge Muti startet einen weiteren Live-Versuch mit dem Werk mit der kurzlebigen Cristina Deutekom und Nicolai Gedda beim Maggio musicale in Florenz (1972) und ging dann 1979 ins Plattenstudio um eine glaubwürdig edierte Version des Werks auf Schallplatten aufzunehmen. Sie dauert denn auch fast 40 Minuten länge als die klassische Callas-Einspielung. Mit Montserrat Caballé und Alfredo Kraus standen Muti zwei Stilisten zur Verfügung, die sich auf artifzielle Vokalgestaltung verstanden, den Text des Ricordi-Klavierauszugs auf Punkt, Komma und Sechzehntelnote realisierten, obwohl sie damals beide nicht mehr auf der absoluten Höhe ihrer Beclanto-Geschmeidigkeit waren. Den Vorgängern blieben beide Sänger in Sachen Operndramatik und psychologischer Durchdringung ihrer Partien unterlegen. Gewiß, die Caballé bietet noch immer puren Schöngesang, »Belcanto« in einem wörtlich übersetzten Sinn, doch Kraus' Stimme kann an Schönheit und vor allem Espressivo mit de Stefano nicht mithalten, wenn er auch weitaus eleganter die Passagen in der höchsten Lage meistert.

Die neue Generation

Erst die Neuaufnahme des Werks unter Michele Mariotti (Decca) stellt tatsächlich einen bedeutenden Fortschritt dar. Zwar kann Nino Machiadze bei aller vokalen Sauberkeit der Callas nicht das Wasser reichen, singt aber ausdrucksvoller als die Caballé - und hat vor allem einen exzellenten Partner: In Juan Diego Florez ist ein Tenor nachgewachsen, der die Anforderungen der Belcanto-Technik souverän meistert und dabei auch beinahe so ausdrucksvoll singt wie einst di Stefano. Die Beweglichkeit von Florez´ Tenor und die Eleganz seiner Phrasierung ist hingegen beeindruckend.




↑DA CAPO