I Capuleti e i Montecchi
1830, Teatro La Fenice (Venedig)
Felice Romani
Musik von Vincenzo Bellini
personen der handlung
Capellio, Ältester des Hauses Capulet (Baß)
Giulietta, seine Tochter (Sopran)
Tebaldo, Freund Capulets, Giuliettas Verlobter (Tenor)
Romeo aus dem Hause Montagues, Giuliettas Geliebter (Alt bzw. Tenor)
Lorenzo, Arzt in Diensten der Capulets (Baß)
ERSTER AKT
Eine geheime Liebe verbindet die verfeindeten veroneser Familien Montague und Capulet: Obwohl Julia, die Tochter Capulets, mit dessen Parteigänger Tebaldo verlobt ist, hat sie sich Romeo aus dem Hauses der Montgues hingegeben.
Doch Romeo hat im Streit Julias Bruder getötet. Die Familien rüsten wieder zum Kampf. Lorenzo, der Arzt der Capulets, weiß um die geheime Liebe. Er bittet Romeo, den Streit ruhen zu lassen. Dafür verspricht er ihm die Hand Julias. Während Julias Vater auf Rache sinnt, traut Lorenzo das heimliche Paar. Doch Romeo kann seine Gemahlin nicht zur Flucht bewegen.
Inzwischen bereitet Julias nichtsahnende Familie ihre Hochzeit mit Tebaldo vor. Romeo gesteht Lorenzo, seine Familie werde unangemeldet zum Fest erscheinen, um die Trauung zu verhindern. Julia weigert sich noch einmal zu fliehen. Ein erbitterter Kampf erhebt sich.
ZWEITER AKT
Die Capulets konnten die Montagues in die Flucht schlagen. Doch Lorenzo kann Julia beruhigen: Romeo hat die Schlacht überlebt. Um sie vor der Vermählung mit Tebaldo zu bewahren, überreicht er ihr einen Trank, der sie in todesähnlichen Schlaf versetzen kann. Romeo würde nach ihrer Beisetzung erscheinen, um sich mit ihr zu vereinen. Juli leert den Trank, bevor der Vater erscheint und die für morgen geplante Vermählung mit Tebaldo verkündet. Als Julia ihm mitteilt, sich sterbenskrank zu fühlen, schöpft Capellio verdacht. Er läßt Lorenzo, der Romeo in seinen Plan noch nicht einweihen konnte, gefangen setzen. Vor dem Palast kommt es zum Zweikampf der Rivalen - doch ein Trauerzug unterbricht das Gefecht: Julia wird zu Grabe getragen.
In der Gruft der Capulets nimmt Romeo verzweifelt am Sarge seiner Geliebten Gift. Als Julia erwacht, versichert sie Romeo, nun zur Flucht bereit zu sein. Doch Romeo stirbt in ihren Armen, bevor auch sie tot zu Boden sinkt.
An der Wiener Staatsoper kam das Werk in den ersten Jahren des Siegeszuges zweier anderer Primadonnen für einige Spielzeiten ins Repertoire. Direktor Egon Seefehlner nutzte die Popularität dreier junger Sängerinnen, um den Versuch einer Bellini-Renaissance fortzusetzen, der mit Norma kurz zuvor nur mäßiger Erfolg beschieden war. Edita Gruberova und Sona Ghazarian alternierten als Julia, Agnes Baltsa war der Romeo. Doch Riccardo Muti winkte nach den Erfahrungen mit den Bellini-Ressentiments der Wiener Opernkräfte ab. Er realisierte die Oper mit der Gruberova und der Baltsa lieber im Studio mit dem Ensemble der Covent Garden Oper London (EMI/Warner). An der Mailänder Scala brachte Muti die Capuleti 1987 mit der Baltsa und June Anderson heraus.
Einen frühen Versuch mit dem Werk hat der 28-jährige Lorin Maazel am Vorabend seines internationalen Ruhms für die RAI Rom gestartet. Damals stand ihm immerhin die junge Fiorenza Cossotto als streitbarer, aber auch koloraturgewandter Romeo zur Verfügung. Ihr zur Seite, nicht ganz ebenbürtig, vor allem wenig höhensicher, aber zu feinen Belcantolinien fähig die Julia von Antonietta Pastori und der nicht mehr als solide Tebaldo Renato Gavarini. Hörenswert allerdings, wie Maazel das Rundfunkorchester zu einer differenzierten, leidenschaftlich durchpulsten Spielweise animiert, die kenntlich macht, wieviel tatsächlich in Bellinis viel verlästerten »Begleitungmusiken« steckt.
Freunde schöner Tenor-Stimmen kommen daher nicht an einem der Live-Mitschnitte aus jener Aufführungsserie vorbei, die Claudio Abbado Mitte der Sechzigerjahre an verschiedenen Opernhäusern von Italien bis Holland dirigierte. Margherita Rinaldi war die Julia bei der Aufführung, die 1966 in Den Haag mitgeschnitten wurde, Renata Scotto sang bei der Premiere an der Mailänder Scala, 1968. Die Alt-Partie des Romeo wurde jeweils von einem Tenor gesungen, dem damals unangefochtene Star unter den jungen, aufstrebenden Belcanto-Künstlern, Giacomo Aragall. Er bekam für die kämpferischen Auseinandersetzungen mit seinem Widersacher Tebaldo den noch nicht ganz so bekannten Luciano Pavarotti zur Seite gesellt - das Duett Romeo/Tabaldo mit dem gemeinsam erklommenen hohe B dieser beiden Stimmen kurz vor Erscheinen des Trauerzuges muß man gehört haben. Es versetzte die Melomanen jener Ära in Euphorie und machte I Capuleti e i Montecchi in weiten Opernkreisen endlich wieder zu einem Begriff.