Marc-André Dalbavie
* 1961
Dalbavie wuchs auf dem Pariser Humus der Avantgardeszene um Pierre Boulez und den Elektroakustiker Tristan Murail heran und entwickelte bald eine ganz eigene, auf in sich reich bewegten Klangflächen basierende Klanglichkeit, die durch immer wieder raffniert eingezogene Akkord-Traversen dem Ohr tonale Zentren suggeriert und den musikalischen Verlauf dadurch zeitlich struktuiret und ihmarchitektonisch Halt verleiht.
Er mische, so bekannte der Komponist anläßlich der Uraufführung seiner Oper Charlotte Salomon bei den Salzburger Festspielen 2014:
Harmonien der Vergangenheit, der Gegenwart und einer unbekannten Zukunftund greife auf die Möglichkeiten von
Tonalität, Meta- und Atonalitätzurück. Die entsprechende Balance zu finden, setze zwar eine Menge Arbeit voraus, doch beschere es der Musik mehr Reichtum als würde er es sich einfacher machen, und sich immer nur innerhalb eines Systems bewegen.
Mysterienspiel
Dalbavies Hauptwerk ist die 2021 in Paris uraufgeführte Vertonung von Paul Claudes katholischem Mysterienspiel Der seidene Schuh (»Le soulier de satin«), ein siebenstündiges Spektakel, in dem sich - wie die Stilebenen in Dalbavies Musik - die Elemente des barocken Theaters kühn mischen: Vom Pathos zur Posse ist es jeweils nur ein kleiner Schritt.