Alfred Schnittke

Pionier einer »Neuen Einfachheit«
1934 - 1998

Alfred Schnittke kam als Sohn einer wolgadeutsch-jüdischen Familie zur Welt und verbrachte als Kind einige Jahre in Wien, wo sein Vater als Berichterstatter für die »Österreichische Zeitung« der Roten Armee tätig war.
Deshalb erhielt Alfred Schnittke seinen ersten Klavierunterricht in Wien.

Zurückgekehrt nach Moskau, kam der musikalische junge Mann in die Mühlen der sowjetischen Kultur-Institutionen. Er studierte an der Musikschule Oktoberrevolution und durfte seine Ausbildung dann am Moskauer Konservatorium fortsetzen, wo er nach Abschluß der Studien als Lehrer tätig war, bis er sich 1973 freischaffend dem Komponieren widmete.

Frühe Kompositionen

Zunächst orientierte sich Schnittke an avantgardistischen Techniken westlicher Vorbilder, beschäftigte sich mit dem Serialismus im Gefolge der »Wiener Schule« und mit den Zufalls-Spielen der sogenannten »Aleatorik«.

Seine Werke konnten eine Zeitlang auch im Westen - unter anderem beim Festival für Neue Musik in Donaueschingen aufgeführt werden und stießen auf einiges Interesse.

Viele seiner frühen Werke haben den Charakter von Materialsammlungen oder Protokollen künstlerischer Suchaktionen.

Symphonie Nr. 1  

Die Erste Symphonie ist wie eine große, etwa 70 Minuten dauernde Improvisation über die Form der Symphonie und die Möglichkeit, sie in unseren Tagen noch mit Sinn zu erfüllen.
Die Musik beginnt mit Glockengeläute und Fanfarenklängen, scheinbar ungeordneten Instrumentalklängen und Geräuschen, wie sie vor Beginn eines Konzerts in unseren Konzertsälen zu hören sind.

Danach finden sich Zitate aus klassisch-romantischen Klangwelten, aber auch aus banalen U-Musik-Regionen oder avantgardistischen Spieltechniken. Dazu kommen völlig freie Elemente - als langgezogene Stimmungsbilder oder jähe Einsprengsel, die oft wie aus anderen Stücken eingeblendet scheinen: Eine Passage aus Beethovens Fünfter wird fragmentiert und »übermalt«.

Der zweite Satz, Allegretto, (an Stelle des Scherzos) stellt dann eine regelrechte Collage dar, die mit Barocken Concerto-Klängen beginnt, die völlig aus dem Ruder geraten, sich zwischendurch aber wieder »finden« ehe sie unter die Räder eines erbarmungslosen Blasmusik-Angriffs kommen.

Der dritte Satz, Lento, ist ein riesiger KLangbogen für Streicher, der sich in vielfachen Verknotungen zu enormer Dichte steigert und dann wieder abebbt, vielfach überlagert und »gestört« aber nie unterbrochen.

Im Finale türmen sich die Echos populärer Lieder, Konzertfragmente (Tschaikowsky fehlt nicht) und Tanzmusik (Wiener Walzer inklusive) übereinander und werden einer gigantischen Apotheise Das experimentelle Werk durfte während einer Tauwetterphase sogar in der Sowjetunion aufgeführt werden und wurde vom Staatsorchester des Kulturministeriums unter Genadi Roschdestwenski sogar für Schallplatten aufgenommen, eine Einspielung, die mit spürbarem Engagement die Buntheit und das Überraschungspotential der Partitur auskostet.
Man begleitet den Komponisten durch seine akustische Abenteuerreise durch unbekanntes Terrain.
Mit der Zeit wuchs Schnittke Interesse an der bunten Durchmischung der Stile, wie sie auf unterschiedliche Weise bei Komponisten wie Luciano Berio oder auch Charles Ives finden konnte.

Schwere Krankheit

Schnittke hat oft bekannt, daß seine Nahtod-Erfahrung nach einem schweren Schlaganfall, 1985, bei ihm neue Schaffenskräfte freigesetzt hat - und zu einem regelrechten künstlerischen Energie-Schub führte.



↑DA CAPO