1895 - 1982

Die → »Carmina Burana« sind nicht wegzudiskutieren aus den internationalen Konzertsälen – auch durch das Argument nicht, das Werk sei während der Nazi-Zeit zur Uraufführung gekommen und der Komponist damals nicht ausgewandert . . .


Außerdem hatte sich ja das pädagogisch so überaus effektive Orff-Schulwerk, eine von der Kraft des Rhythmus ausgehende musikalische Grunderziehung, im Dritten Reich etablieren können.

Aber sogar andere als politisch-pseudomoralische Argumente finden sich zur Genüge, um Carl Orff verdächtig erscheinen zu lassen.


Manuskript des Frühwerks
Tanzende Faune op. 21
(zurückgezogen)

Vom Expressionismus seiner Musik der Zwanzigerjahre hatte er sich bewußt abgewendet. Die Entwicklung eines einzigartig perkussiven Stils, harmonisch auf archaischen, zyklopischen Dur- und Moll-Akkorden aufbauend, reichte bald, um ihn als „Strawinsky für arme Leute“ zu denunzieren.

Dabei hatte Orff, der gewiefte Bühnenpraktiker, seine theatralisch höchst wirksame Klangsprache zur Verstärkung der szenischen Wirkung sowohl in deutschen Märchen („Der Mond“, „Die Kluge“) wie im »bairischen Stück« namens Die Bernauerin (in Wien zuletzt mit Sunnyi Melles und Tobias Moretti an der Volksoper) ebenso erprobt wie an musiktheatralischen Anverwandlungen antiker Texte.

Trionfi

Die mit Carmina Burana beginnende → Trilogie Trionfi, 1953 an der Mailänder Scala unter Herbert von Karajans Leitung uraufgeführt, speist sich aus mittelalterlicher Vagantenlyrik, Catull-Gedichten und altgriechischer Poesie gleichermaßen.

Im Zentrum von Orffs Schaffen stehen aber diese erotisierenden Carmina, vor allem deren populärer erster Teil, nur in der Publikumswahrnehmung.

Antiken-Tragödien

Für Orff galt das Antiken-Triptychon Antigonae, Oedipus der Tyrann und Prometheus als Hauptwerk – nach den dunklen Hölderlin-Übersetzungen geschaffen die ersten beiden, im griechischen Original die letzte der Tragödien – also textlich selbst für alphabetisierte deutschsprachige Normalverbraucher unverständlich alle drei . . .

Singen vom Weltuntergang
– Deutsch, Griechisch, Latein.

Noch verwirrender Orffs letztes Werk, De temporum fine comoedia, 1973 in Salzburg wieder unter Karajan uraufgeführt. Da wird griechisch und deutsch gesungen, gerufen, geschrien vom Weltuntergang, bis der Teufel auf Latein um Vergebung der Sünden bittet und Stimmen (damals im Festspielhaus jene Christa Ludwigs und Peter Schreiers) Erlösung verkünden.

Schon die Textvorlagen schienen den Kommentatoren verwerflich, die reduzierte, von immensen Schlagzeuggruppen angeheizte Musik galt der Wissenschaft rettungslos unzeitgemäß. Dabei würde sie sich als ebenso immens theaterwirksam erweisen. Wenn man sie nur spielte.




↑DA CAPO