Luigi Nono
1924 - 1990
Seinen Namen hat Luigi Nono von seinem Großvater bekommen, einem bildenden Künstler aus Venedig, dessen Sohn Mario Ingenieur wurde, dessen Enkel Luigi II. sich jedoch wieder der Kunst zuwenden - und mit dieser Kunst gegen die als Bürde empfundenen Traditionen und Zwänge seiner bürgerlichen Herkunft ankämpfen sollte.
Luigi Nono wurde zu einer der Ikonen der musikalischen Avantgarde.
Und zu einem der engagiertesten Parteigänger der italienischen Linken.
Beides sicherte ihm skeptisch-ablehenende Publikumsreaktionen, aber auch das höchste publizistische Interesse -- zunächst einmal jenseits der Grenzen seines Heimatlandes.
Luigi Nono war in den ersten Jahren, ja Jahrzehnten seiner Aktivitäten vor allem einmal ein deutsches Phänomen. So seltsam das klingen mag. Tatsächlich fanden vor der skandalumwitterten Uraufführung seiner »Oper« Intolleranza 1960 anläßlich der Biennale von Venedig 1961 15 von 18 Nono-Uraufführungen in Deutschland statt.
»Engagierte Musik« waren Werke wie
Erst in den späten Siebzigerjahren entstanden Stücke, die einen Rückzug Nonos aus der vordersten Front »engagierter« Künstler erkennen lassen und die sehr intime, stille Töne hörbar werden lassen, in denen ein Individuum die Hörer zur Meditation einlädt. Hiezu gehört vor alem das Friedrich Hölderlin zitierende Streichquartett Fragmente - Stille. An Diotima von 1979, das vom LaSalle Quartett international in umjubelten Aufführungen bekannt gemacht wurde.
Hier überläßt es der Künstler seinem Publikum, die gewünschten Assoziationen zu finden - oder auch ganz andere. Das »offene Kunsterk« inspiriert sich an Vorbildern der Antike (Aischylos, Euripides, Sophokles, Pindar), an Epigrammen Friedrich Nietsches und Gedichten von Goethe, Rilke oder Hölderlin. Der Prometheus-Mythus wird zum zündenden Funken einer reichen Assoziationskette, in der sich der Zuschauer und Zuhörer wiederfinden kann, die ihn zum Fantasieren einlädt, die aber auch als akustisch-optisches Vexierspiel ohne Rätsellösung »konsumiert« werden kann. Der Untertitel verrät es: Nono schreibt in Zusammenarbeit mit seinem Librettisten Massimo Cacciari die Tragedia dell ascolto (die »Tragödie des Hörens«) - ein Menetekel für den Komponisten im XX. Jahrhundert, am Ende seiner Laufbahn: Luigi Nono starb 66jährig im Mai 1990 in seiner Vaterstadt Venedig.
Luigi Nono wurde zu einer der Ikonen der musikalischen Avantgarde.
Und zu einem der engagiertesten Parteigänger der italienischen Linken.
Beides sicherte ihm skeptisch-ablehenende Publikumsreaktionen, aber auch das höchste publizistische Interesse -- zunächst einmal jenseits der Grenzen seines Heimatlandes.
Luigi Nono war in den ersten Jahren, ja Jahrzehnten seiner Aktivitäten vor allem einmal ein deutsches Phänomen. So seltsam das klingen mag. Tatsächlich fanden vor der skandalumwitterten Uraufführung seiner »Oper« Intolleranza 1960 anläßlich der Biennale von Venedig 1961 15 von 18 Nono-Uraufführungen in Deutschland statt.
Der »Canto sospeso«
Auch das Schlüsselwerk in Nonos Biographie, Il canto sospeso, das 1956 erstmals die Aufmerksamkeit der internationalen Musik-Journalisten auf den italienischen Kopmonisten lenkte, war in Deutschland zuerst erklungen: Hermann Scherchen, wie Nono selbst ein engagierter Linker und Vorkämpfer für die musikalische Avantgarde, dirigierte die Uraufführung in Köln. Die Komposition galt sofort als idealtypische Vereinigung von sozialutopischer, jedenfalls antifaschistischer politischer Gesinnung und avancierter Kompositionstechnik. Einer Kompositionstechnik, die der »Reihentechnik« von Nonos Schwiegervater Arnold Schönberg - dessen Tochter Nuria war seit 1955 Nonos Ehefrau - neue Facetten abgewann. Wie viele seiner Kollegen versuchte Nono die »seriellen« Techniken nicht nur auf die Tonhöhen, sondern auch auf Tondauern und dynamische Parameter anzuwenden und so eine vollkommen rational durchorganisierte Musik zu schaffen - was freilich querzustehen schien gegen die expressiven und inhaltlichen Elemente seiner Werke, deren Eigendynamiken dann immer wieder ihren Tribut forderten: Schon im Canto sospeso verzichtet der Komponist in jenem Abschnitt, in dem er den Opfern des brutalen nationalsozialistischen Terror eine Stimme verleiht, auf allzu mathematisch genaue Organisation - zugunsten des unmittelbaren Ausdrucks.Die Anfänge
Hermann Scherchen war schon 1950 Pate gestanden, als es galt, ein direkt auf Schönberg anspielendes Frühwerk Nonos aus der Taufe zu heben: Die Kanonischen Variationen über die Reihe aus Schönbergs op. 41 erklang estmals bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, in denen Nono bald eine der Leitfiguren werden sollte. Bis 1960 war er alljährlich in diesem Zentrum der »fortschrittlichen Musik« aktiv, die ihre Sinnhaftigkeit aus der Weiterentwicklung der Vorgaben der Wiener Schule, vor allem Anton von Weberns herleiteten. Freizügiger gesinnte Komponisten wie der etwa gleichaltrige Deutsche Hans Werner Henze alterierten sich bald über die diktatorischen herrschaftsansprüche der Darmstädter - und während Henze aus dem Nachkriegsdeutschland floh, um im Land der Melodien, Italien, Zuflucht zu suchen, wurde Nono zu einem der Vorzeigekomponisten der deutschen Fortschritts-Partei - mit besagten Folgen. Auch das erste Musiktheater-Projekt Nonos, das Ballett Der rote Mantel nach Lorca, kam 1954 in Deutschland auf die Bühne. Erst der Auftrag des Chefs der Biennale von Venedig, Mario Labroca, holte Nono nach Italien heim - gegen den heftigen Protest der italienischen Musikfreunde.»Intolleranza 1960«
Nonos einziges Werk, das dem Gattungsbegriff der Oper unterzuordnen sein könnte, war die 1961 im Tetro La Fenice, Venedig, uraufgeführte → Intolleranza 1960. Die Uraufführung verlief stürmisch - etwa wie Igor Strawinskys Sacre du printemps knapp ein halbes Jahrhundert zuvor in Paris. Nono hatte gleich mit mehreren Tabus gebrochen: Das Publikum brachte er gegen sich auf, indem er gegen Intoleranz, politische Unterdrückung und feige Verdrängung ankämpfte und dabei überdies eine alle Anforderungen an ein italienischen »Melodramma« von sich wies: Das war ein sozialpolitisches Thema auf der Bühne, mit avantgardistischen Mitteln vertont. Beides war verpönt. Beides machte Nono freilich in den Augen der Vorkämpfer der musikalischen Moderne und der linken Bewegung zu einem Helden. Sein Werdegang war in der Folge wieterhin von heftiger Ablehnung durch das Publikum und freudigen Zuspruch der Musikkritik und der politischen Fortschrittsbewegung gekennzeichnet.Politisches Engagement
Es gab in der Folge kaum ein Werk aus Nonos Feder, das nicht sein Engagement für die Ideale der Kommunistischen Partei, der er 1952 beigetreten war, auf die Fahnen heftete. Kräftig unterstützt von der italienischen Linken, voran auch Künstlern wie Claudio Abbado, die Nonos Überzeugungen teilten, wurde der Komponist international zum Säulenheiligen des musikalischen Fortschritts, der in den Augen vieler seiner Vorkämpfer mit der ideologischen Idee der Linken Hand in Hand gehen sollte - oder mußte.»Engagierte Musik« waren Werke wie
Epitaffio a Federico Garcia Lorca (1951-53) La victoire de Guernica (1954) Il canto sospeso (1956) Sul ponte di Hiroshima (1961) Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz, (1965) Al gran sole carico d’amore (1971)
Erst in den späten Siebzigerjahren entstanden Stücke, die einen Rückzug Nonos aus der vordersten Front »engagierter« Künstler erkennen lassen und die sehr intime, stille Töne hörbar werden lassen, in denen ein Individuum die Hörer zur Meditation einlädt. Hiezu gehört vor alem das Friedrich Hölderlin zitierende Streichquartett Fragmente - Stille. An Diotima von 1979, das vom LaSalle Quartett international in umjubelten Aufführungen bekannt gemacht wurde.
Prometeo
Einen Rückzug hatte bereits das letzte große Bühnenwerk Nonos markiert: → Prometeo, wie nahezu sämtliche späten Kompositionen Live-Musik mit Elektronik verbindend und jeglichen vordergündigen Handlungsverlauf gegen eine frei-assoziative künstlerische Performance tauschende Ästhetik tauschend: Claudio Abbado dirigierte die Uraufführung der Erstfassung in San Lorenzo, Venedig und holte das Werk in der endgültigen Bearbeitung ein Jahr später an die Mailänder Scala.Hier überläßt es der Künstler seinem Publikum, die gewünschten Assoziationen zu finden - oder auch ganz andere. Das »offene Kunsterk« inspiriert sich an Vorbildern der Antike (Aischylos, Euripides, Sophokles, Pindar), an Epigrammen Friedrich Nietsches und Gedichten von Goethe, Rilke oder Hölderlin. Der Prometheus-Mythus wird zum zündenden Funken einer reichen Assoziationskette, in der sich der Zuschauer und Zuhörer wiederfinden kann, die ihn zum Fantasieren einlädt, die aber auch als akustisch-optisches Vexierspiel ohne Rätsellösung »konsumiert« werden kann. Der Untertitel verrät es: Nono schreibt in Zusammenarbeit mit seinem Librettisten Massimo Cacciari die Tragedia dell ascolto (die »Tragödie des Hörens«) - ein Menetekel für den Komponisten im XX. Jahrhundert, am Ende seiner Laufbahn: Luigi Nono starb 66jährig im Mai 1990 in seiner Vaterstadt Venedig.