Gilgamesch
Bohuslav Martinu (1949/55)
Das Epos Gilgamesch fesselte den Komponisten bereits bei der Erstbegegnung, 1949. Ein Auftrag von Paul Sacher, für den Martinu sein Doppelkonzert komponiert hatte, gab den endgültigen Anstoß: In Nizza begann der Komponist Ende 1954 mit der Arbeit und zog im Februar 1955 bereits den Schlußstrich hinter die Partitur.
Die Erzählung von König Gilgamesch ist mindestens eineihalb Jahrtausende älter als die Epen Homers. Doch haben die Bilder nichts von ihrer Kraft verloren. Martinu hat drei Abschnitte des Epos zur Vertonung ausgewählt. Teil I entspricht den ersten beiden Tafeln und erzählt von der Begegnung des Königs Gilgamesch mit dem Krieger Enkidu, der unter Tieren herangewachsen ist. Eine Kurtisane, von Gilgamesch entsandt, raubt Enkidu die Unschuld - nach einem herischen Zweikampf werden die beiden Helden Freunde.
Teil II und III behandeln die Themen Tod und Unsterblichkeit - und inspirierten Martinu zu magisch-schöner, rätselhaft-fesselnder Musik. Zunächst erfahren wir von Enkidus Tod und Gilgameschs Trauer und die Bitte an die Götter, dem Freund die Unsterblichkeit zu schenken. Enorm der Augenblick, da Enkidu in der Unterwelt den Beschwörungen Gilgameschs mit einem kühlen »Ich sah« entgegnet. Zuletzt herrscht die Resignation angesichts der Erkenntnis der Unmöglichkeit, die Wahrheit über die Letzten Dinge zu ergründen.
Getreu dem Vorbild von Arthur Honeggers Le roi David wechseln auch bei Martinu die Berichte des Erzählers (Sprechtimme) mit musikalischen Nummern.
Jiri Belohlavek hat in seinen jungen Dirigentenjahren eine sehr gute, wenn auch etwas distanziert-kühle Aufnahme des bilderreichen, starken Werks für Supraphon gemacht. Ohne Übersetzung des tschechischen Textes ist der Hörgenuß allerdings nicht ganz ungestört . . .
Ebenfalls auf Supraphon erschien, lange nach der »Wende« eine englischsprachige Aufnahme unter Manfred Honeck in englischer Sprache.