Frank Martin

1890 -- 1974

Ernest Ansermet Aufnahmen der Hauptwerke

(Decca)

Musikalische Moderne, zwölftönig grundiert, mit »menschlichem Antlitz«.

Frank Martin entstammte einer alten Genfer protestantischen Familie. Eine Aufführung von achs Matthäus-Passion war für den Zehnjährigen die Initialzündung. Später waren es Chopin, Schumann, Wagner, danach die Welt Mussorgskys, Monteverdis und Debussys, die Martin für sich entdeckte.

Nach naturwissenschaftlichen und mathematischen Studien wandte sich Martin bald ganz der Musik zu. Er war 21 als sein Name erstmals auf einem Programm des Schweizer Tonkünstler-Festes aufschien. Studien in Paris folgte die Gründung der Genfer Société de Musique de chambre.

Die Beschäftigung mit europäische und fernöstlicher Folklore zeitigte Werke wie das 1925 entstandene Trio sur des mélodies populaires irlandaises und die Rythmes für Orchester, in denen vertrackte Rhythmen unterschiedlichster Provenienz in teils höchst virtuosen Schichtungen verwendet werden.

Le vin herbé

Ab 1933 unterrichtete Martin - widmete sich aber bald vorrangig dem Komponieren. Das Kammer-Oratorium Le vin herbé (1941) machte nach Ende des Zweiten Weltkriegs seinen Namen über die schweizerischen Grenzen hinaus bekannt und kam bald bei den Salzburger Festspielen zur szenischen Erstaufführung.

Petite Symphonie concertante

Noch erfolgreicher wurde die 1945 in Zürich uraufgeführte Petite Symphonie concertante, ein klanglich apartes, harmonisch virtuos zwischen Tonalität und Arnold Schönbergs Zwölftonmethode vermittelndes Stück, dessen zündende Finalstretta bis heute stets lauten Applaus garantiert.

Erfolge im Ausland

Frank Martin wurde »international« und übersiedelte 1946 nach Amsterdam und Köln, wo er 1950 bis 1957 Komposition unterrichtete.

Beachtenswert ist Martins eigenwillige Anwendung der Zwölfton-Methode: Immer wieder finden sich in seinen Werken zwölftönige Melodien, die aber in apartem Gegensatz zu einer aus Dur- und Molldreiklängen geschichten Harmonik stehen.

Feinsinnige Vokalwerke gelangen Martin mit der Vertonung von Rilkes Cornet und dreier Monologe aus Hofmannsthals Jedermann.

Shakespeares »Sturm«

Aus Plänen, Hofmannsthals »Spiel vom Sterben des reichen Mannes« zu einer Oper zu machen, wurde nichts. Dafür wandte sich Martin dem Plan zu, Shakespeares Sturm zu vertonen. Dieses Projekt wurde - unter Einbeziehung von bereits 1950 komponierten Gesängen des Ariel und Musik aus dem Violinkonzert zu seinem musikdramatischen Chef d'Oeuvre. Die Uraufführung fand mit Eberhard Wächter, Anton Dermota und Christa Ludwig in den Hauptrollen 1956 an der Wiener Staatsoper statt.

Martin im Repertoire

Wegen des immensen Aufwands konnte sich Der Sturm allerdings nicht durchsetzen, obwohl es Martin gelang, die verschiedenen Seelenwelten, die Shakespeare hier aufeinanderprallen läßt, musikalisch sinnfällig zu charakterisieren.

Im Repertoire verankert blieb immerhin sein Passionsoratorium Golgotha (1948) und seine Balladen für Soloinstrumente und Klavier, die später orchestriert wurden: Die Ballade für Flöte und jene für Posaune werden gern von Solobläsern großer Symphonieorchester für konzertante Auftritte genutzt.

Konzert für sieben Bläser

Gleich für alle wichtigen Bläsersolisten eines Symphonieorchesters war das 1949, unmittelbar nach Golgotha komponierte Konzert für sieben Bläser, Pauken und Streicher
gedacht, das neben der Petite Symphonie concertante das gelungenste Orchesterwerk des Komponisten ist.
Drei Sätze wie im klassischen Konzert, aber dank der pointenreichen Faktur ehe in barocker Concerto-grosso-Technik angelegt, stellt das Stück bei aller Kleinteiligkeit eine Meisterleistung in Sachen formaler Geschlossenheit dar, das in legerer Attitüde einem ungetrübten F-Dur-Ausklang zustrebt.

Préludes für Klavier

Der Pianist Paul Badura-Skoda machte sich stark für Martins acht Préludes für Klavier, einen abwechslungsreichen Zyklus von Charakterstücken nach dem Vorbild Debussy in frei-tonaler Harmonik. Badura-Skoda hat auch das Klavierkonzert unter Martins Leitung aufgenommen. Die Einspielung erschien im Verein mit dem ebenfalls vom Komponisten dirigierten Violinkonzert (Solist: Wolfgang Schneiderhan) bei Jecklin auf CD und ist als Download verfügbar.

Aus Martins Vokalmusik ragen noch das Oratorium Et in terra pax und das für Irmgard Seefried und Wolfgang Schneiderhan komponierte Magnificat hervor.


↑DA CAPO