Ligetis »Le Grand Macabre»
Wiener Erstaufführung im Jugendstiltheater
22. Jänner 1994
Allerleigraun
Le Grand Macabre, György Ligetis theatralische Apotheose der Unappetitlichkeit, erlebte nach vielen Jahren seine österreichische Erstaufführung - in einer bemerkenswerten Produktion des Wiener Operntheaters im Jugendstiltheater.
Michel de Ghelderodes Stück läßt allerlei sonst schamhaft verborgene Details des menschlichen Lebens zur Szene werden, samt etlichen, diesem Humus entspringenden wilden Phantastereien. Die Figuren heißen mit Recht Spermando oder Clitoria und sind einander coram publico auf manchmal ungewöhnliche, oft perverse, zuletzt aber einmal sogar berührend "normale" Weise zugetan, außerdem dem Suff ergeben oder sonstwie nicht als salonfähig zu bezeichnen.
Opernfähig wurde das dank einer Mode, die international vorbei ist, deren berühmtes Produkt man jetzt in Wien also ungeniert unter "historischem" Aspekt begutachten kann. Ligeti, angeregt von den collageartigen Bildern, setzt neben vielschichtig verästelte Klanggewebe, für die er berühmt geworden ist, auch simple, traditionsverbundene Harmonien. So verschleiert er im "Grand macabre" noch unter dem Vorwand "dramaturgischer Notwendigkeit" eine stilistische Rückwendung, die heute, unverhohlen, allgemeinverbindlich geworden ist.
Regisseur Gidon Saks setzt auf Effekt, choreographiert angesichts des "Weltuntergangs" sogar einen "Aufruhr im Publikum" und spricht - in ebenso praktikablen wie beeindruckend vielfältigen eigenen Bühnenbildern - die zahllosen Grausigkeiten alle, alle aus, ohne sich aber in Geschmacklosigkeiten zu aalen.
Diese (relative) Dezenz könnte "Le Grand macabre" also auch für Menschen erträglich machen, die sich aus Pornographie nichts machen und dennoch ein vieldiskutiertes Stück jüngeren Musiktheaters wenigstens einmal begutachten möchten.
Dieses ermöglicht zu haben, ist das kulturpolitisch Verdienst des jungen, engagierten Ensembles. Ihre Aufführung ist in sich geschlossen und gediegen, man hat "Grand macabre" also wirklich erlebt. Kann leicht sein, daß dieses Kapitel Operngeschichte damit für Wien erledigt ist.
Michel de Ghelderodes Stück läßt allerlei sonst schamhaft verborgene Details des menschlichen Lebens zur Szene werden, samt etlichen, diesem Humus entspringenden wilden Phantastereien. Die Figuren heißen mit Recht Spermando oder Clitoria und sind einander coram publico auf manchmal ungewöhnliche, oft perverse, zuletzt aber einmal sogar berührend "normale" Weise zugetan, außerdem dem Suff ergeben oder sonstwie nicht als salonfähig zu bezeichnen.
Opernfähig wurde das dank einer Mode, die international vorbei ist, deren berühmtes Produkt man jetzt in Wien also ungeniert unter "historischem" Aspekt begutachten kann. Ligeti, angeregt von den collageartigen Bildern, setzt neben vielschichtig verästelte Klanggewebe, für die er berühmt geworden ist, auch simple, traditionsverbundene Harmonien. So verschleiert er im "Grand macabre" noch unter dem Vorwand "dramaturgischer Notwendigkeit" eine stilistische Rückwendung, die heute, unverhohlen, allgemeinverbindlich geworden ist.
Regie von Gidon Saks
Andreas Mitisek organisiert die Klänge vom Hupkonzert bis zu butterweichen, ineinander fließenden Streicherkantilenen souverän mit dem philharmonischen Orchester aus Györ. Die Sänger, denen bis zum Überschlagen der Stimmen allerhand zugemutet wird, die aber - neue Einfachheit kündigt sich an aus den Instrumentalstimmen stets Anhaltspunkte bezüglich der richtigen Tonhöhe erhalten, schlagen sich wacker durch das musikalische Dickicht, lassen zum Teil mit gutem Vokalmaterial aufhorchen.Regisseur Gidon Saks setzt auf Effekt, choreographiert angesichts des "Weltuntergangs" sogar einen "Aufruhr im Publikum" und spricht - in ebenso praktikablen wie beeindruckend vielfältigen eigenen Bühnenbildern - die zahllosen Grausigkeiten alle, alle aus, ohne sich aber in Geschmacklosigkeiten zu aalen.
Diese (relative) Dezenz könnte "Le Grand macabre" also auch für Menschen erträglich machen, die sich aus Pornographie nichts machen und dennoch ein vieldiskutiertes Stück jüngeren Musiktheaters wenigstens einmal begutachten möchten.
Dieses ermöglicht zu haben, ist das kulturpolitisch Verdienst des jungen, engagierten Ensembles. Ihre Aufführung ist in sich geschlossen und gediegen, man hat "Grand macabre" also wirklich erlebt. Kann leicht sein, daß dieses Kapitel Operngeschichte damit für Wien erledigt ist.