Manager und Musiker

Rolf Liebermann zum Gedenken

4. Jänner 1999
Nennen Sie mich einfach Musiker . . .

Ein Leben lang hat er sich Gedanken gemacht, wie Musik und Musiktheater in unseren Zeiten zu retten sein könnten. Leicht faßbar war er nie. War er nun Komponist aus Berufung oder doch eher Musik-Manager?

Hierzulande ist die erste Kenntnisnahme des Namens Rolf Liebermann mit 1954 zu datieren. Damals versuchten die Salzburger Festspiele regelmäßig, mit Uraufführungen neuer Opern Profil zu gewinnen.
Da war nach Gottfried von Einem und Boris Blacher Liebermann der Mann der Stunde. Der studierte Jurist wirkte gerade als Leiter des Schweizer Radiosenders Beromünster und hatte dort erstmals die Möglichkeit, seine Vorstellungen von einer publikumswirksamen Förderung der Moderne durchzusetzen. Und das in Zeiten, in denen es jenseits der eidgenössischen Grenzen hart bis unmöglich war, solche kulturpolitischen Träume zu verfolgen.

Liebermann, geboren 1910 in Zürich, als Musiker Schüler des strengen Avantgarde-Verfechters Hermann Scherchen und des Komponisten Vladimir Vogel, war in der glücklichen Situation, die Jahre des Zweiten Weltkriegs in Sicherheit zubringen zu können und sich auch zwischen 1939 und 1945 seinem schöngeistigen Metier ungestört zu widmen. Seit 1937 war er Orchesterchef des Senders Beromünster gewesen.

Sein eigenes Schaffen stand im Zeichen der Versöhnung: Arnold Schönbergs Zwölftonmethode diente ihm als Folie, vor der sich die Liebe zur zeitgenössischen Unterhaltungsmusik ebenso abhob wie das Bewußtsein, daß sich auch in der »ernsten Abteilung« der Neuen Musik jenseits der Lehren der Wiener Schule aufregende Betätigungsfelder eröffneten.

Ernst, Witz und Geist

Liebermanns Concerto for Jazzband and Symphony Orchestra erregte Mitte der fünfziger Jahre Aufsehen, weil es geschickt und amüsant die Methodik des barocken Concerto grosso in eine Konfrontation zwischen der sogenannten »U-« und der sogenannten »E-Musik« ummünzte. Das hatte bei allem Ernst auch spürbar Witz und Geist, eine Mixtur, auf die sich Liebermann glänzend verstand.
Auch dort, wo er nicht auf Versatzstücke der Unterhaltungsmusik zurückgriff, stecken seine Kompositionen voll hintergründiger Anspielungen und befleißigen sich einer bemerkenswerten musikalischen Sprachgewandtheit.

Mit dem Furioso für Orchester legte er ein virtuoses Instrumentalwerk vor, das auch dem konservativsten Publikum der Welt durch seinen mitreißenden Schwung Freude bereiten konnte und bewies, wie wirkungsvoll technische Errungenschaften der Avantgarde einsetzbar sein können, wenn ein Komponist sein Handwerk nur versteht, wenn er zudem mitteilungsfreudig ist und geschickt zu nutzen weiß.

Rolf Liebermann war nicht nur als Musiker ein Praktiker. Dem eloquenten Gesprächspartner konzedierte auch eine Generation, die vor den sogenannten bürgerlichen Werten keinen Respekt mehr zu haben schien, ehrfurchtsvoll, daß er zu den raren Menschen mit hoher Bildung und feinsinnigem Geschmack zählte.

Kraft dieser Eigenschaften gewann er zuweilen auch randalierende Achtundsechziger für sich und seine Ideen, die stets darauf gerichtet waren, Althergebrachtes, als Gut Erkanntes, mit dem Neuen zu versöhnen und so den Fortschritt zu sichern. Von diesbezüglichen inneren und äußeren Kämpfen referieren die Annalen der Opernhäuser von Hamburg und Paris, denen Liebermann als pragmatischer, aber immer zukunftsorientierter Manager über Jahrzehnte hin vorstand.

Ein Partner der Festspiele

Das Komponieren rückte über dieser Aufgabe in den Hintergrund und es war bezeichnend für Liebermann, daß er nie versucht hat, diesen Widerspruch aufzulösen oder zu kaschieren. Wenn er komponierte, komponierte er. Wenn nicht, dann eben nicht. So wichtig, so genau war das alles nicht zu nehmen. Romantische Verklärungen einer »Berufung« waren ihm fremd. Auch Visionen, die er für die Opernwelt durchaus hatte, konnte er stets rational begründen und in klug geführten Diskursen die »Machbarkeitsstudien« gleich mitliefern. Erst im Alter begann er wieder, Musik zu schreiben. Das war, nachdem er sich 1988 aus dem Management endgültig zurückgezogen hatte.

Österreich erlebte nach seiner Schule der Frauen, die 1957 bei den Salzburger Festspielen in Starbesetzung (Berry, Ludwig, Gedda, Rothenberger) unter George Szells Leitung uraufgeführt wurde, keine große Liebermann- Premiere mehr.

Dafür kehrte der alte Herr zuletzt Jahr für Jahr in die Festspielstadt zurück und war ein gesuchter Diskussionspartner, der jedem, der es hören wollte, gern erklärte, was er über die Zukunft von Musik-Festspielen dachte.



↑DA CAPO