Joseph Horovitz
geb. 1926
Als Kind aus Wien vertrieben, wurde Joseph Horovitz zu einem angesehenen britischen Komponisten des XX. Jahrhunderts.
Joseph Horovitz war 12 Jahre alt, als seine Familie aus Wien vertrieben wurde. Er studierte Musik und Sprachwissenschaften in Oxford und holte sich in Musiktheorie und Komposition den letzten Schliff bei Nadia Boulanger in Paris.
Als Opern und vor allem Ballett-Dirigent (unter anderem in Glyndebourne und bei den Ballets Russes) ging er mit verschiedenen englischen Compagnien auch auf Tourneen. Als Komponist schuf er Musik für Film Das Bildnis des Dorian Gray) und Fernsehserien und unterrichtete ab den frühen Sechzigerjahren am Royal College of Music in London.
Bekannt wurde seine Ballettmusik zu Alice in Wonderland (1953), viel gespielt seine zahlreichen Kompositionen und Arrangements für Blasorchester.
Das »Jazz-Concerto«
Populär wurde auch Horovitz' Jazz-Concerto für Cembalo und Kammerorchester (1965), das von George Malcolm in Auftrag gegeben wurde und mit dem Horovitz den Verwandtschaften von Verarbeitungs- und Variationstechniken im Barock und im Jazz nachspürt. Die notorischen Versuche, das sogenannte »Jazz-Idiom« mit den harmonischen Möglichkeiten der musikalischen Avantgarde zu verschknüpfen, hält der Komponist für nicht zielführend:Frühere Versuche, sogenannte »fortgeschrittene« harmonische Techniken mit überlagertem »Beat« zu verwenden, waren nicht in der Lage, erkennbaren Jazz hervorzubringen, wie allgemein der Begriff auch verstanden werden mag.
Das Streichquartett Nr. 5
Von Horovitz' Kammermusik wurde das Fünfte Streichquartett am bekanntesten. Es entstand zur Feier des 60. Geburtstags des bedeutenden Kunsthistorikers Ernst Gombrich, einem Wien-Exilanten wie Horovitz. Das Werk erklang zum ersten Mal bei der Geburtstagsfeier für Gombrich im Londoner Victoria and Albert Museum, gespielt vom Amadeus-Quartett am 1. Juni 1969. Die Tatsache, daß drei der Musiker, Gombrich und der Komponist nach dem Einmarsch der NS-Truppen aus Wien nach England geflohen waren, beeinflußte die Musik entscheidend.31 Jahre waren vergangen, seit Horovitz als Elfjähriger Wien mit seiner Familie verlassen hatte. In dieser Zeit hatte er sich schöpferisch nie mit diesem Exodus aueinandergesetzt. Im Hinblick auf das Fünfte Streichquartett meinte Horovitz:
Ich glaube, die lange Pause war wichtig, um ein musikalisches Werk zu schaffen, das außermusikalische Ideen einschließen sollte. Ohne einen solchen »Verdauungsprozeß« hätten sich die musikalischen Assoziationen durchaus auf bloße Reportagen reduziert.Das Quartett spiegelt freilich nicht nur persönliche Schicksale, sondern auch immanente »Kritik« an den musikhistorischen Entwicklungen. Es ist einsätzig gehalten und basiert auf thematischem Material, in dem sich, so Horovitz, »meine Bewunderung für den Widmungsträger widerspiegeln« soll. Entsprechend dem programmatischen Hintergrund der Musik, wird diese »Gombrich-Musik«
bald von dekadenten chromatischen Gesten umfangen, wie sie in der Wiener Musik des frühen 20. Jahrhunderts vorherrschten.Es kommt in der Folge zu extremen harmonischen Spannungen und bitonalen Entwicklungen. Aus den »unvermeidlichen Konflikten« geht die »gesunde« Klangwelt der eingangs präsentierten Themen gestärkt hervor.
Aufnahmen
Wie Horovitz Elemente avancierterer Harmonik zur Würze einer im Stil der Unterhaltungsmusik seiner Zeit und an einer musikalischen »Moderne« Korngoldscher Prägung integriert, läßt sich an viel gespielten Stücken wie der Sonate in B-Dur für Klarinette und Klavier studieren, deren gefühlvollen Mittelsatz Daniel Ottensamer für DG aufgenommen hat. auf IDAGIO hören Das Werk ist seit der Ersteinspielung durch den Meister-Klarinettisten Gervase de Peyer, begleitet von Gwenneth Pryor (1982) vielfach auf CD vorgelegt worden.Nicht minder beliebt bei den Ausführenden sind Horovitz schwungvolle Stücke für Bläser-Ensembles. Darunter etwa die Music Hall Suite von 1964, die das Ensemble »Brass X« für Sony aufgenommen hat.