Beat FURRER
Theater der »erlebten Musik«
»Narcissus«
heißt das jüngste Auftragswerk der Grazer Oper, das beim "steirischen herbst" Anfang Oktober Premiere haben wird: Frucht zweieinhalbjähriger Arbeit Beat Furrers.
Ein Gespräch.
Furrer, ganz Schüler Roman Haubenstock-Ramatis, war und ist gewiß nie bereit, Kompromisse für die Verehrer des reinen C-Dur-Dreiklangs einzugehen. Daß er es dennoch in Wien ausgehalten hat, daß er die Stadt auch als Nährboden begriffen, genützt hat, spricht für die geistige Erneuerung, die er selbst konstatiert: »Es hat sich in den letzten fünf, zehn Jahren viel verändert.
Man spürt das an vielen Faktoren.« Nicht zuletzt daran, daß »der Kontakt zwischen den Sphären plötzlich hergestellt ist - zwischen Musik und Bildender Kunst.
Die Komponisten sind nicht mehr isoliert. Auch die Jungen und ganz Jungen, da gibt es einige zwischen 25 und 30, die alle nicht mehr allein vor sich hinwerkeln.«
In diesem Umfeld sei der Erfolg eines Festivals wie "Wien modern" überhaupt erst möglich gewesen, meint Furrer.
Im Wien der siebziger Jahre war Vergleichbares undenkbar: »Als ich kam, haben sich die Leute bei einer Messiaen-Aufführung im Musikverein noch die Ohren zugehalten.«
Furrer hat solche Erfahrungen bei den Aufführungen seiner Werke kaum je machen müssen. Mittlerweile hat er nicht nur ein Spezialistenensemble für Neue Musik gegründet, sondern auch über zehn Jahre zu einem führenden Faktor der Konzertszene auszubauen gewußt.
Komponisten müssen heute nicht mehr, wie das jahrzehntelang Brauch war, ein halbes Leben lang warten, bis sie ihre anspruchsvolleren Stücke hören können; und sie sind auch nicht mehr den Unbilden eines Musikbetriebes ausgesetzt, der sich keine Zeit nimmt, kompliziertere Strukturen zu durchschauen, zu erarbeiten. Dem Einsatz des Interpreten Furrers ist es zu danken, daß Neue Musik heutzutage nicht nur überhaupt, sondern in hoher Qualität erklingt, was ein Urteil erst möglich macht.
Das »aktive Hören« ist auch dem Komponisten Furrer ein Anliegen. So versteht er Musiktheater als Form des angewandten »Gleichgewichts zwischen Bühne und Orchestergraben" die szenische Aktion soll das Hörerlebnis vertiefen: "Es geht nicht primär darum, einen Inhalt zu vermitteln, sondern die Musik erlebbar zu machen«.
Sein jüngstes Bühnenstück, Narcissus, bietet, wie schon sein Opern-Erstling, die Maeterlinck-Vertonung Die Blinden Stoff genug für bewußte Hörer, die kompositorische Strukturen und Entwicklungen, seien sie auch subtil verschlungen, zu entschlüsseln, der Bühnenhandlung eine musikalische entgegenzusetzen.
Das Gegen- und Miteinander kompositorischer Prozesse war schon in den verschiedenen »Klangebenen« der Blinden faszinierend zu verfolgen. Furrer hat das für den Narziß noch verfeinert, hat sogar ein Computerprogramm entwik keln lassen, das die Tonbandzuspielungen genau in Relation zum Tempo des Dirigenten abzuwickeln vermag, wodurch für die Interaktion von Livemusik und vorproduzierter Elektronik ganz neue Möglichkeiten erschlossen wurden.
Anders als in den Blinden hat Furrer diesmal darauf verzichtet, die unterschiedlichen musikalischen Prozesse auch auf unterschiedliche Texte zu verteilen. Wurde Maeterlinck damals noch von Hölderlinund Plato-Fragmenten »erläutert« und ergänzt, genügt für den Narziß der von Furrer selbst kompilierte Ovid-Text.
Ein Gespräch.
14. September 1994
Beat Furrer zählt zu den bekanntesten Komponisten in der seit einigen Jahren erstaunlich belebten Wiener Avantgarde-Szene. Vor zwanzig Jahren ist der nun vierzigjährige Schweizer »eingewandert«, hat also sein halbes Leben in der österreichischen Hauptstadt verbracht, die als jeglicher Modernisierung abhold gilt.Furrer, ganz Schüler Roman Haubenstock-Ramatis, war und ist gewiß nie bereit, Kompromisse für die Verehrer des reinen C-Dur-Dreiklangs einzugehen. Daß er es dennoch in Wien ausgehalten hat, daß er die Stadt auch als Nährboden begriffen, genützt hat, spricht für die geistige Erneuerung, die er selbst konstatiert: »Es hat sich in den letzten fünf, zehn Jahren viel verändert.
Man spürt das an vielen Faktoren.« Nicht zuletzt daran, daß »der Kontakt zwischen den Sphären plötzlich hergestellt ist - zwischen Musik und Bildender Kunst.
Die Komponisten sind nicht mehr isoliert. Auch die Jungen und ganz Jungen, da gibt es einige zwischen 25 und 30, die alle nicht mehr allein vor sich hinwerkeln.«
In diesem Umfeld sei der Erfolg eines Festivals wie "Wien modern" überhaupt erst möglich gewesen, meint Furrer.
Im Wien der siebziger Jahre war Vergleichbares undenkbar: »Als ich kam, haben sich die Leute bei einer Messiaen-Aufführung im Musikverein noch die Ohren zugehalten.«
Furrer hat solche Erfahrungen bei den Aufführungen seiner Werke kaum je machen müssen. Mittlerweile hat er nicht nur ein Spezialistenensemble für Neue Musik gegründet, sondern auch über zehn Jahre zu einem führenden Faktor der Konzertszene auszubauen gewußt.
Komponisten geht es besser
Aus der »Societ'e de l'Art Acoustique« ist das »Klangforum« geworden - und macht seinem Namen alle Ehre: Die meist von Furrer selbst dirigierten Aufführungen neuer und neuester Musik haben ihr Publikum - und sorgen für eine ständige »Überprüfung« der Avantgardeszene.Komponisten müssen heute nicht mehr, wie das jahrzehntelang Brauch war, ein halbes Leben lang warten, bis sie ihre anspruchsvolleren Stücke hören können; und sie sind auch nicht mehr den Unbilden eines Musikbetriebes ausgesetzt, der sich keine Zeit nimmt, kompliziertere Strukturen zu durchschauen, zu erarbeiten. Dem Einsatz des Interpreten Furrers ist es zu danken, daß Neue Musik heutzutage nicht nur überhaupt, sondern in hoher Qualität erklingt, was ein Urteil erst möglich macht.
Das »aktive Hören« ist auch dem Komponisten Furrer ein Anliegen. So versteht er Musiktheater als Form des angewandten »Gleichgewichts zwischen Bühne und Orchestergraben" die szenische Aktion soll das Hörerlebnis vertiefen: "Es geht nicht primär darum, einen Inhalt zu vermitteln, sondern die Musik erlebbar zu machen«.
Sein jüngstes Bühnenstück, Narcissus, bietet, wie schon sein Opern-Erstling, die Maeterlinck-Vertonung Die Blinden Stoff genug für bewußte Hörer, die kompositorische Strukturen und Entwicklungen, seien sie auch subtil verschlungen, zu entschlüsseln, der Bühnenhandlung eine musikalische entgegenzusetzen.
Das Gegen- und Miteinander kompositorischer Prozesse war schon in den verschiedenen »Klangebenen« der Blinden faszinierend zu verfolgen. Furrer hat das für den Narziß noch verfeinert, hat sogar ein Computerprogramm entwik keln lassen, das die Tonbandzuspielungen genau in Relation zum Tempo des Dirigenten abzuwickeln vermag, wodurch für die Interaktion von Livemusik und vorproduzierter Elektronik ganz neue Möglichkeiten erschlossen wurden.
Anders als in den Blinden hat Furrer diesmal darauf verzichtet, die unterschiedlichen musikalischen Prozesse auch auf unterschiedliche Texte zu verteilen. Wurde Maeterlinck damals noch von Hölderlinund Plato-Fragmenten »erläutert« und ergänzt, genügt für den Narziß der von Furrer selbst kompilierte Ovid-Text.