Daß es am Ende jenes Jahrhunderts, das mit Strawinsky, Schönberg und einigen anderen die vielleicht heftigsten Erschütterungen mit sich brachte, die die Musikgeschichtsschreibung kennt, noch möglich sein würde, einen zeitgenössischen Komponisten als echten "Musikanten" zu bezeichnen, scheint unglaublich. Alfred Uhl war ganz gewiß ein Musikant.
Und doch war er ein "heutiger" Komponist, wohl gerade weil er sich dem Avantgardismus auf konsequente Weise entzogen und sein Leben lang eine un-, ja geradezu antimoderne Haltung zur Schau getragen hat. Das Paradoxon seines Schaffens wollte es, daß Alfred Uhl als Schöpfer neuer Werke zu einem Zeitpunkt verstummte, als der "Zeitgeist" sein Tun sozusagen rückwirkend bestätigen wollte. Die "Neue Einfachheit" wurde ausgerufen, die Besinnung auf tonales, romantisches, klassisches musikalisches Gut, wie Uhl es zeitlebens beschworen hatte.
Freilich, als er symphonische, kammermusikalische oder oratorische Werke in solchem Sinne schrieb, galt Serialismus, Antisinnlichkeit, vollständige Indoktrinierung des Komponierens durch mathematische Berechenbarkeit. Uhl war der belächelte Renegat, der mit Wilhelm Busch die Selbstisolation besang: "Wer einsam ist, der hat es gut", hieß sein vielleicht erfolgreichstes Werk, amüsant für Solisten, Musiker, Choristen - und auch für das Publikum. Solches durfte nicht sein, und wurde naturgemäß inniger bedankt als jede noch so modernistische Partiturkonstruktion.
Seine vielleicht feinsten Stücke feilte der unermüdliche Arbeiter und "Verbesserer" für kammermusikalische Besetzungen aus. Man wird sich dieser zarten, klassische klaren Kompositionen erinnern, nicht zuletzt weil das, was Uhl vom ersten Moment seines Schaffens verfocht heute über Umwege wieder "modern" und zeitgemäß geworden ist. Daß die Musikwelt entdeckt hätte, auf welche Weise da einer die Zeitläufte sozusagen von links überholt hat, indem er sich und seinem musikalischen Hausverstand treu geblieben ist, durfte Uhl nicht mehr erleben. Immerhin: Eine junge engagierte Musikergruppe bat den alten Herren noch um ein hübsches Bläserstück - und erhielt es auch; zur letzten Uhl-Premiere im Konzerthaus. Erübrigt sich zu sagen, daß sie ein Erfolg beim Publikum war, das sich Uhl gegenüber stets dankbar gezeigt hat. Es wird dem Musikanten auch jetzt, nachdem er knapp nach seinem 83. Geburtstag gestorben ist, die Treue halten, solang seine Musik erklingt.