Querdenker - Querkomponist
Nachruf auf Gottfried von Einem
13. Juli 1996
Gottfried von Einem ist tot. Er war mehr als ein bekannter österreichischer Komponist. Er ist - welchem Komponisten war das zuletzt passiert? - sogar karikiert worden.
Um der Karikatur als Objekt zu dienen, muß man berühmt sein. Die Menschen müssen Physiognomie und Eigenheiten eines Menschen kennen, um die Pointe zu verstehen.
Gottfried von Einem war berühmt. Zu Zeiten galt er den Österreichern, gleich ob sie etwas von Musik verstanden oder nicht, als der heimische Komponist unserer Zeit. Seine Opern wurden bei den Salzburger Festspielen und in der Wiener Staatsoper uraufgeführt, sein Wort, oft laut und polternd artikuliert, wurde gehört. Manchmal schien es sogar, dieser Mann sei die "graue Eminenz" in der Kulturpolitik.
Bei den Festspielen in Salzburg bestimmte er eine Zeitlang sogar die Programmplanung mit. Im Wiener Kulturleben saß er an diversen Schalthebeln. Er war nicht zuletzt treibende Kraft bei bedeutenden Umstrukturierungen des Urheberrechts-Gesetzes. Am wirkungsvollsten, das wissen alle, die unmittelbar oder mittelbar mit ihm zu tun hatten, war sein Wort, wenn er gerade keine offizielle Funktion bekleidete. Er war eine Größe in vielerlei Hinsicht, eine Größe, mit der man zu rechnen hatte.
Mit seiner ersten Frau, Liane von Bismarck, führte Einem ein großes Haus. Im Domizil am Modenapark traf sich die Creme der Kulturpolitik. Mit Lotte Ingrisch verband ihn späterhin eine Künstler-Partnerschaft, die ihn mehr und mehr vom pulsierenden, oft auch intriganten Getriebe der "Musikstadt" fort, hin zu pastoraler Abgeschiedenheit führte. Einem frönte seinem Schaffensdrang in einem Knusperhäuschen im Waldviertel, entfernte sich auch mehr und mehr vom großen Ton seiner Opern und symphonischen Stücke.
"Dantons Tod", die Büchner-Vertonung, war Ende der vierziger Jahre in Salzburg eine Sensation. Die Kafka-Oper "Der Prozeß", "Der Zerrissene" nach Nestroy und manch anderes Stück folgten - mit mehr oder weniger Erfolg, aber stets von luxuriösen Besetzungen aus der Taufe gehoben und von vielen deutschen Häusern willig, weil ohne das in der Moderne sonst übliche Risiko nachgespielt.
Mit dem "Besuch der alten Dame" gelang es Einem Anfang der siebziger Jahre noch einmal ein Exempel zu statuieren. Wie einflußreich er war, mag man daraus ersehen, daß die Staatsoper kurzfristig ihren Spielplan änderte, "Don Giovanni" ab- und den "Danton" ansetzte, weil Friedrich Dürrenmatt zuerst Musik des Komponisten hören wollte, bevor er sein "placet" zur Vertonung des erfolgreichen Sprechstückes gab.
Was folgte, war weniger spektakulär.
Oder es erregte aus anderen Gründen, etwa weil Lotte Ingrisch mit ihrem Libretto zur letzten großen Einem-Oper, "Jesu Hochzeit", einen kleineren religiösen Aufstand vor dem Theater an der Wien provozierte. In den achtziger Jahren war Einem kein stürmischer Eroberer mehr.
Er kommentierte lediglich mit dem ihm eigenen, sarkastischen Humor die Zeit, in der er lebte, und die seiner traditionsbewußten, geradezu spätromantischen Musik mehr und mehr avantgardistische Konzepte entgegensetzte.
In den letzten Monaten war Gottfried von Einems Leben von Krankheit verdüstert. Das hinderte ihn keineswegs daran, etwa die Bestellung seines Sohnes zum Minister noch mit launigen Sprüchen zu kommentieren.
Aber er fühlte wohl, daß seine Uhr abgelaufen war.
Sogar Resignation, ein Gefühl, das man früher kaum je mit seinem Namen assoziiert hätte, machte sich breit. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag ist der letzte "Componist" - und einer der letzten spürbar wachen Geister in der Musikwelt dieses Landes - in Wien gestorben.
Um der Karikatur als Objekt zu dienen, muß man berühmt sein. Die Menschen müssen Physiognomie und Eigenheiten eines Menschen kennen, um die Pointe zu verstehen.
Gottfried von Einem war berühmt. Zu Zeiten galt er den Österreichern, gleich ob sie etwas von Musik verstanden oder nicht, als der heimische Komponist unserer Zeit. Seine Opern wurden bei den Salzburger Festspielen und in der Wiener Staatsoper uraufgeführt, sein Wort, oft laut und polternd artikuliert, wurde gehört. Manchmal schien es sogar, dieser Mann sei die "graue Eminenz" in der Kulturpolitik.
Bei den Festspielen in Salzburg bestimmte er eine Zeitlang sogar die Programmplanung mit. Im Wiener Kulturleben saß er an diversen Schalthebeln. Er war nicht zuletzt treibende Kraft bei bedeutenden Umstrukturierungen des Urheberrechts-Gesetzes. Am wirkungsvollsten, das wissen alle, die unmittelbar oder mittelbar mit ihm zu tun hatten, war sein Wort, wenn er gerade keine offizielle Funktion bekleidete. Er war eine Größe in vielerlei Hinsicht, eine Größe, mit der man zu rechnen hatte.
Mit seiner ersten Frau, Liane von Bismarck, führte Einem ein großes Haus. Im Domizil am Modenapark traf sich die Creme der Kulturpolitik. Mit Lotte Ingrisch verband ihn späterhin eine Künstler-Partnerschaft, die ihn mehr und mehr vom pulsierenden, oft auch intriganten Getriebe der "Musikstadt" fort, hin zu pastoraler Abgeschiedenheit führte. Einem frönte seinem Schaffensdrang in einem Knusperhäuschen im Waldviertel, entfernte sich auch mehr und mehr vom großen Ton seiner Opern und symphonischen Stücke.
Büchner, Kafka, Nestroy
Bis in die siebziger Jahre galt er als Musikdramatiker, der es verstand, in nicht viel moderneren Tönen als jenen, die man in Gustav Mahlers Symphonien finden konnte, doch irgendwie neue, unverbraucht wirkende Opern zu formen."Dantons Tod", die Büchner-Vertonung, war Ende der vierziger Jahre in Salzburg eine Sensation. Die Kafka-Oper "Der Prozeß", "Der Zerrissene" nach Nestroy und manch anderes Stück folgten - mit mehr oder weniger Erfolg, aber stets von luxuriösen Besetzungen aus der Taufe gehoben und von vielen deutschen Häusern willig, weil ohne das in der Moderne sonst übliche Risiko nachgespielt.
Mit dem "Besuch der alten Dame" gelang es Einem Anfang der siebziger Jahre noch einmal ein Exempel zu statuieren. Wie einflußreich er war, mag man daraus ersehen, daß die Staatsoper kurzfristig ihren Spielplan änderte, "Don Giovanni" ab- und den "Danton" ansetzte, weil Friedrich Dürrenmatt zuerst Musik des Komponisten hören wollte, bevor er sein "placet" zur Vertonung des erfolgreichen Sprechstückes gab.
Ein Souper, ein Libretto
Ein nobles Souper im teuersten Restaurant der Stadt überzeugte den Dichter nach der Aufführung endgültig. Der "Besuch" wurde in Töne gesetzt und sicherte dem Komponisten dank des Engagements von Künstlern wie Christa Ludwig und Eberhard Waechter noch einen weithin beachteten Triumph.Was folgte, war weniger spektakulär.
Oder es erregte aus anderen Gründen, etwa weil Lotte Ingrisch mit ihrem Libretto zur letzten großen Einem-Oper, "Jesu Hochzeit", einen kleineren religiösen Aufstand vor dem Theater an der Wien provozierte. In den achtziger Jahren war Einem kein stürmischer Eroberer mehr.
Er kommentierte lediglich mit dem ihm eigenen, sarkastischen Humor die Zeit, in der er lebte, und die seiner traditionsbewußten, geradezu spätromantischen Musik mehr und mehr avantgardistische Konzepte entgegensetzte.
Auflage "applaustreibend"
Im Telephonbuch firmierte er als "Componist". Das Altmodische war seine Domäne. Dazu stand er mit seinen Noten wie mit den gefürchteten Worten. Der einst weltgewandte Musik-Handwerker, der sich diebisch freute, wenn ein Dirigent vom Format Eugene Ormandys ihm den Auftrag zu einem symphonischen Stück mit der einzigen Auflage unterbreitete, es müsse "applaustreibend" sein, dieser Künstler, dem solche virtuosen Auftragsstücklein leicht von der Hand gegangen waren, zog sich in die Welt der "kleinen Dinge" zurück: "Kammermusik, natürlich", antwortete er auf die Frage, was ihn denn als schöpferische Herausforderung noch interessiere. Lieder, Quartette, kleine Piecen unterschiedlichster Natur bilden sein Spätwerk.In den letzten Monaten war Gottfried von Einems Leben von Krankheit verdüstert. Das hinderte ihn keineswegs daran, etwa die Bestellung seines Sohnes zum Minister noch mit launigen Sprüchen zu kommentieren.
Aber er fühlte wohl, daß seine Uhr abgelaufen war.
Sogar Resignation, ein Gefühl, das man früher kaum je mit seinem Namen assoziiert hätte, machte sich breit. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag ist der letzte "Componist" - und einer der letzten spürbar wachen Geister in der Musikwelt dieses Landes - in Wien gestorben.