Violinkonzert
I. Toccata
II. Aria I
III. Aria II
IV. Capriccio
Der polnisch-amerikanische Geiger Samuel Dushkin war der Widmungsträger von Strawinskys Violinkonzert, das lange Zeit ein Schattendasein im Konzertrepertoire führte, obwohl es formal einen der originellsten Beiträge zur Gattung darstellt. Strawinsky ist einer der wenigen Großmeister, die sich im Falle des Violinkonzerts nicht an der klassischen Dreisätzigen Form orientiert haben. Populär wurde die Musik erst, als George Balanchine daran ging, das Stück als Grundlage eines seiner Ballette zu machen: Als Concerto in D ging diese Arbeit ins Repertoire etlicher bedeutender Tanz-Compagnien ein.
Für Geiger stellt das Werk eine eminente Herausforderung dar, eine undankbare noch dazu, denn Strawinsky verzichtet darauf, dem Solisten die übliche Kadenz zu zur Demonstration zu gewähren, hat den Solopart aber mit heikelsten Aufgaben und vertrackten Passagen überladen, die für das Publikum freilich nicht durchwegs als jene virtuosen Akte kenntlich werden, die sie darstellen.
Das Hörerlebnis ist weniger auf das Können des Solisten fokussiet, obwohl diesem kaum Ruhepunkte gegönnt werden, als auf den Erfindungsreichtum des Komponisten. Strawinsky schöpft aus barocken Formen neues Leben, ganz im Sinne des Neoklassizismus, dem das Konzert angehört.
Statt eines lyrischen Mittelsatzes finden sich gleich zwei Aria überschriebene Abschnitte, die zwischen der unablässig puslierenden Eingangs-Toccata mit ihren pochenden Tonrepretitionen und dem wahrhaft kapriziösen Final-Capriccio stehen. Doch ist Aria I eher eine dramatische Szene, dialogisch angelegt und voller übeerraschender Wendungen. Aria II wirkt wie eine improvisatorische Meditation über die Anfangs-Akkorde, die schon die ersten beiden Sätze eröffnet hatten - eine Folge von Triplegriffen, die sowohl Dushkin als auch Jascha Heifetz für schlicht »unspielbar« erklärt hatten.
Das Finale ist ein rhythmisch abwechslungsreicher Tanz, der in eine rasante Coda mündet, in der die Sologeige im steten Wechsel zwischen gestrichenen und gezupften Passagen eine letzte Parforcetour zu absolvieren hat - übrigens in Erinnerung an eine Passage aus der Geschichte vom Soldaten.