Le Sacre du Printemps
Chronik der Ereignisse
1911 - 1913
1911
Als Igor Strawinsky im Sommer 1911 mit dem Ausstatter Nicolas Roerich an seiner Ballettmusik zu arbeiten begann, trug das Szenarium den Titel Heiliger Frühling. Leon Bakst erfand den endgültigen Titel Le Sacre du Printemps.
Roerich empfahl Strawinsky an die Fürstin Tenischewa, die ein Landgut in der Nähe von Smolenks besaß und dort ihre große Sammlung russischer Volkskunst beherbergte. Strawinsky wollte diese Sammlung sehen und begab sich auf eine Reise, die ihn vier Tage gekostet hätte, wenn er auf den Personenverkehr der russischen staatlichen Eisenbahn genutzt hätte. Um die Zeit zu verkürzen, bestach der Komponist den Schaffner eines Güterzugst, der ihn in einem Viehwagen mitfahren ließ, in dem ein Stier transportiert wurde.
Strawinsky beschrieb die nicht ganu ungefährlich Fahrt in seinen Erinnerungen:
Ich verbarrikadierte mich so gut es ging hinter meinem Gepäck. Es muß ein seltsamer Anblick gewesen sein, als ich mit meinen edlen Reisetaschen in Smolensk aus dem Zug stieg und mir das Stroh vom Leibe streichen mußte.
Am 15. August unterschrieben Strawinsky und der Impresario Serge Diaghilev in Karlsbad den Vertrag für die Uraufführung des neuen Werk.
Mit der Kompsition begann Strawinsky im September 1911 im schweizerischen Clarens. An Roerich schreibt er:
Die Musik wird sehr frisch und neu. Das Bild der alten Frau im Eichhörnchenfell ist mir im Gedächtnis geblieben. Ich habe es ständig vor Augen, während ich die Weissagung komponiere. Ich sehe sie vor mir, wie sie das Ensemble anführt, wie sie manchmal innehält und den rhythmischen Fluß unterbricht. Ich bin mir sicher, die Handlung muß getanzt werden, es darf keine Pantomime werden.
Im November werden Diaghilev, Misia Sert und Freunde Zeugen der ersten privaten Aufführung der bis dahin komponierten Abschnitte durch Strawinsky am Klavier. Die Begeisterung ist groß.
1912
Anfang Jänner berichtet Strawinsky an Benois, daß die Partitur des ersten Teils der Ballettmusik - bis auf den Schluß, den Tanz der Erde, fertiggestellt ist.
Im März ist der Komponist in Montreux bereits mit dem zweiten Teil beschäftigt. An den Sohn Rimskij-Korsawkows berichtet er über seine Fotschritte seit dem Feuervogel:
Es ist, als wären zwanzig und nicht zwei Jahre vergangen, seit ich den »Feuervogel« komponiert habe.
Mitte März trifft Strawinsky Maurice Ravel in Monte-Carlo. Auf einem gemeinsamen Spaziergangs skizziert Strawinsky dem interessierten Kollegen auf ein Blatt Papier den Rhythums der abschließenden Danse Sacrale. An Roerich schreibt er:
Ich glaube ich das Geheimnis des Frühlings-Rhythmus enträtselt zu haben und daß Musiker das fühlen werden.
Am 9. Juni 1912 kommt es zu einem denkwürdigen Privatkonzert: Strawinsky spielt in der Villa von Louis Laloy, des Herausgebers der»Grande Revue« die bisher fertiggestellten Teile des Sacre in einem Arrangement für Klavier zu vier Händen. Einzelne Stimmen, die nicht in dem Klavierarrangement aufgenommen werden konnten, summte und sang er dazu.