STRAWINSKY               

Capriccio

für Klavier und Orchester (1928/29)

Ein Werk, in dem sich Strawinsky ausdrücklich auf Carl Maria von Weber beruft.

Wie immer ungewöhnlich für seine Zeit waren die Inspirationsquellen, die Strawinsky im Falle seines Capriccios beschwor: Der brillante Klavierstil Carl Maria von Webers gehört in der Zwischenkriegszeit jedenfalls nicht zu den Favoriten von Publikum und Musikkritik.
Strawinsky skizzierte zunächst im Dezember 1928 einen Presto-Satz, der später zum Finale seines neuen Werks werden sollte. Die beiden anderen Teile, die ohne Pause aufeinanderfolgen sollen, kamen im Laufe des Jahres 1929 hinzu.

Auch Elemente des barocken Concerto grosso findet man in dem Stück wieder - zum Solo-Klavier gesellt sich wiederholt das »Concertino« der Stimmführer der fünf Streichergruppen.

Strawinsky selbst war der Pianist der Uraufführung, die in der Pariser Salle Pleyel 1929 unter Ernest Ansermets Leitung stattfand.

Wie viele andere der für den Konzertsaal gedachten Werke dieses Komponisten, diente auch dieses als Ballettmusik. Leonid Massine schuf die erste Choreographie, die 1947 ihre Premiere an der Mailänder Scala erlebte.
Eine kongeniale Tanz-Version schuf George Balanchine 1967: In seinem abendfüllenden Triptychon Jewels dient das Capriccio als musikalische Grundlage des Mittelteils: Rubies (»Rubine«).

Heftige Kritik

Die Rezensenten der ersten Aufführungen hörten aus Strawinskys Werke eine
gewisse zynische Unruhe
heraus, was einen englischen Kritiker - tatsächlich zynisch - entgegnen ließ:
Wenn das wirklich der Nachkriegsgeist ist, wäre es besser, so früh wie möglich wieder Krieg zu führen.
Der spröde, neoklassizistische Stil des Werks forderte zu Widerspruch geradezu heraus. Als die Schallplattenaufnahme mit Igor Strawinsky am Klavier und Ernest Ansermet erschien, bemängelten die Kritiker, das Werk sei »wirkungslos«, geradezu das bewußte Gegenprogramm zum romantischen Effekt der großen Klavierkonzerte des Repertoires; und das war es vermutlich tatsächlich, was Strawinsky beabsichtigte.

Für Musikfreunde in den frühen Dreißigerjahren klangen seine originellen, aus heutiger Sicht durchaus kubistisch anmutenden Montagetechniken wie eine »Verhöhnung der Klassik«.
* Presto
* Andante rapsodico
* Allegro capriccioso ma tempo giusto

Aufnahmen

Monique Haas spielt den Strawinsky mit Elan und auf die richtige Art und Weise. Was die Aufnahme betrifft, so ist der Holzbläserklang besser als auf der früheren CD, auch wenn der Klavierton nicht so gut ist - dies ist weniger wichtig als im Ravel-Konzert. Dennoch hat Magaloff eine trockene, freche Spielweise, die genau zum Capriccio paßt, und der Rhythmus seiner Leistung ist erstklassig. Die leicht trockene Decca-Aufnahme harmoniert auch besser mit dieser Musik. Wenn schon nicht hohnvoll, aber doch keck gibt in einer der früheste Einspielungen des Werk Nikita Magaloff den Solopart wieder. Im Verein mit Ernest Ansermet, dem wie immer treuen Anwalt Strawinskys, gelang ihm (noch in Mono-Zeiten) eine bis heute maßstabsetzende, klar konturierte Wiedergabe. (Decca)

Von der Tontechnik weniger gerecht ausbalanciert, eher mit dem (Holzbläser-)Weichzeichner eingefangen, widmeten Monique Haas und Ferenc Fricsay dem Capriccio eine weichere, musikantischere Interpretation, die dank des Charmes, mit dem die Solistin ihren Part (anstelle von Magaloffs mephistophelischer Deutlichkeit) ausstattet, andere Facetten des Werk beleuchtet.

↑DA CAPO