Nocturne: Moderato
Scherzo: Allegro
Passacaglia: Andante – Cadenza
Burlesque: Allegro con brio – Presto
Bei der Uraufführung trug dieses Werk die Opuszahl 99. Sie fand - mit David Oistrach unter Jewgeni Mrawinskys Leitung 1955 in Leningrad statt. Ursprünglich war das Violinkonzert als Opus 77 entstanden, die Skizzen reichen bis 1945 zurück. 1947 war die Partitur vollendet. Auch Oistrach als Solist stand fest - doch die wilden Angriffe, denen sich russische Künstler nach Ende des Zweiten Weltkriegs durch den Kulturbeauftragten des Diktators Stalin, Schdanow, ausgesetzt sahen, machten eine Uraufführung des Violinkonzerts unmöglich. Schostakowitsch war wie alle anderen prominenten Komponisten jener Ära Zielscheibe heftiger Attacken geworden: Seine Musik spreche nicht zum Herzen des Volkes.
Zwei Jahre nach Stalins Tod war es dann endlich so weit. In der Sowjetunion konnte auch Musik wieder gehört werden, die zuvor als unerschwünscht gegolten hatte. Das dunkel getönte, ernsthafte Violinkonzert war darunter - und Oistrach erspielte ihm einen glänzenden Sieg.
Der Komponist hatte ihm die beste Grundlage dafür geliefert: Das Werk ist wie ein riesiger Monolog eines Individuums, der Solo-Violine, der sich gegen die Übermacht des Orchesters zu behaupten hat. Folgerichtig mündet das Geschehen, das sich im Mittelsatz über einem gleichbleibenden Passacaglia-Baß zu ungeheurer, tragischer Intensität steigert, in eine ungewöhnlich breit angelegte Solo-Kadenz, die wie danach noch einmal in Schostakowitschs erstem Cellokonzert den Charakter eines eigenen Satzes annimmt.
Daß Schostakowitsch auf Grund der herausragenden Stellung der Solovioline als »Erzählerin« sämtliche Themen des Werks vom Solisten vorstellen läßt, führte vor der Uraufführung zu einem bemerkenswerten Dialog mit Oistrach: nach der immensen Anstrengung der Kadenz wollte der Solist nicht auch noch das bruleske Final-Thema selbst einführen, sondern bat den Komponisten, in diesem Fall das Orchester beginnen zu lassen.
Schostakowitsch willigte ein. Erst die Partitur der Gesamtausgabe bringt im Anhang die ursprüngliche Variante der Komposition. In der Praxis wird jedoch bis heute die für Oistrach arrangierte Variante bevorzugt.
Daß es sich bei dem »Individuum», das hier zum Hörer spricht, um den Komponisten selbst handelt, daß das Werk also Schostakowitschs Situation in den späten Vierzigerjahren inmitten des repressiven Stalin-Systems illustriert, steht außer Zweifel - nicht umsonst sind (wie sooft) seine Initialen D-Es-C-H tönend allgegenwärtig.
Moderato
Adagio
Adagio - Allego
David Oistrach hatte auf seinen ersten Reisen in den Westen nicht nur seine eigene Kunst, sondern auch die Schostakowitschs propagiert: Die Aufführungen des Ersten Violinkonzerts wurden durchwegs als Sensation gewertet. Der Komponist war dankbar. Er wollte dem Geiger zu dessen 60. Geburtstag ein Geschenk machen und schrieb ein zweites Violinkonzert für ihn. Allerdings hatte er sich im Datum geirrt. Und zwar um ein geschlagenes Jahr. Oistrach war 59, als er das Konzert op. 129 bekam. Kurzerhand schrieb Schostakowitsch im Jahr darauf dann noch eine Violinsonate für den Künstler: David Oistrach hat also von Dmitri Schostakowitsch zwei Geburtstagsgeschenke zu seinem Sechziger erhalten.
Das Konzert Nr. 2 ist intimer, kammermusikalischer gehalten als die Nr. 1, auf deren Beginn der Anfang des neuen Konzertes fast zitathaft bezug nimmt. Die großen theatralischen Ausbrüche bleiben diesmal jedoch aus. In jedem der drei Sätze findet der Solist Gelegenheit, sein Können in einer Kadenz zu demonstrieren, die jeweils den Formverlauf gliedert:
Gegen Schluß des Eingangssatzes (also am »klassischen« Ort) findet sich eine kontrapunktisch komplizierte Solopassage im rundum von einem traurigen Gesang beherrschten Mittelsatz entfaltet sich nach einem ersten großen Steigerungsbogen über einem Paukenwirbel eine akkordisch akzentuierte, improvisatorische Kadenz, ehe der Gesang wieder aufgenommen wird.Im Finale bildet die Solokadenz die letzte der Episoden im schwungvoll-bewegten Rondo-Kehraus.