Die Klavierkonzerte
Allegro moderato
Lento
Moderato
Allegro con brio
Zu einem Zeitpunkt, da noch nicht ganz ausgemacht war, ob Dmitri Schostakowitsch nicht doch eher als Pianist denn als Komponist Karriere machen würde, plante er unter dem Eindruck fulminanter solistischer Leistungen des ersten Trompeters der Leningrader Philharmonie - unter anderem bei einer Aufführung von Gustav Mahlers Fünfter Symphonie - ein Trompetenkonzert zu schreiben. Mit der Zeit kristallisierte sich aber doch ein zweiter virtuoser Solopart heraus, sodaß die Skizzen doch zum Klavierkonzert Nr. 1 führten - immerhin erklärt die Genese die eigenwillige Struktur des Werks und den herausfordernden Trompetenpart.
Das Werk wurde zu Schostakowitschs »Schlachtroß«. Er spielte es nach der sensationellen Uraufführung in der Leningrader Philharmonie, 1933, unzählige Male mit überwältigendem Erfolg, bevor das Werk der Bannstrahl der sowjetischen Kulturpolitik traf der es als »formalistisch« brandmarkte, sodaß es bis zu Stalins Tod im Archiv liegen bleiben mußte. Nach 1953 wurde es zu einem der meistgespielten Stücke des Komponisten. Wenn ihm selbst auch eine Beeinträchtigung der rechten Hand in den späten Fünfzigerjahren Auftritte so gut wie unmöglich machte.
Daß sich Schostakowitsch in jener Periode seines Schaffens vor allem für das Theater interessierte, ist dem Klavierkonzert auf Schritt und Tritt anzuhören. Es steckt voller quasi-szenischer Effekte und Überraschungs-Coups, fordert zirkusreife Balanceakte - nicht nur von den Solisten. Den parodistischen Geist - durch den Final-Galopp spukt Beethovens »Wut über den verlorenen Grosche« - hat Schostakowitschs Stück mit den nur wenig früher entstandenen Klavierkonzert in G-Dur von Ravel und dem Fünften Konzert von Prokofieff gemein. Es steckt voll von Zitaten, gleich im ersten Satz Beethovens ist ein Fragment aus Beethovens Appassionata zu hören, ein paar Anspielungen auf den romantisch-ausladenden Klaviersteil Sergej Rachmaninow fehlen nicht, die Trompete bringt einen Hauch von Schlager-Musik ein, zuletzt klingt auch Beethovens »Wut über den verlorenen Groschen« durch. Die vergnügliche Hommage an die klassische Tradition gerät hie und da auch zur parodistischen Persiflage - wohl auch als Kritik an der von der Partei verordneten »Volksnähe« und formalen Klarheit.
Allegro
Andante
Allego
Nicht nur gegen die Kapriolen des Ersten Klavierkonzerts nimmt sich das Zweite wie eine klassizistisch-noble Stilübung aus. Schostakowitsch selbst war bemüht, diese Komposition herunterzuspielen. Sie enthalte »nichts von besonderem künstlerischem Wert«. Vielleicht war ihm unangenehm, daß er hier scheinbar auf die wiederholten Forderungen der sowjetischen Kunstrichter einzugehen schien, die eingänge Melodik und wenig »Formalismus« einforderten. Tatsächlich findet sich manche Assoziation zu volksliedhafter Melodik - ob der Komponist das englische Seemannslied gekannt hat, das anglophone Hörer im ersten Satz wiederzuerkennen glauben, muß allerdings dahingestellt bleiben. Der Kopfsatz ist beherrscht von der einleitenden Marschmelodie, die im Zentrum des Geschehens mit dem melancholischen Gegenthema kollidiert, was zu einem intensiven Höhepunkt führt, den Schostakowitsch als sein eigener Interpret gern höchst dramatisch ausgespielt hat womit die Musik durchaus tiefgründigen Charakter erhält.
Das Andante, oft schicht zurückgenommen wie ein Kinderlied, hat man hie und da als eine behutsame Antwort Schostakowitschs auf den berühmten langsamen Satz in Rachaminows c-Moll-Konzert gedeutet. Es mündet unvermittelt ins rasche Finale, das endlich den parodistischen Ton des ersten Konzerts wieder aufnimmt, zwischen Polkarhythmen und unregeläßigen Metren schwankend und schließlich einem toccatenähnlichen Kehraus
zueilend.
Das Konzert entstand 1956 als Bravourstücke für Schostakowitschs Sohn Maxim, der es als Teenager im Rahmen seines Abschlußkonzertes am Moskauer Konservatorium uraufführen durft. Auch Dmitri Schostakowitsch selbst hat das Werk gespielt und im Verein mit dem Konzert Nr. 1 für Melodia auf Schallplatten festgehalten. Das Stück blieb insofern eine Familienangelegenheit, ale es auch Komponisten-Enkel Dmitri Maxim Schostakowitsch hie und da aufgeführt hat.