Prokofieffs Fünfte Symphonie
Geheimnisse hinter einer scheinbar linientreuen Sowjet-Klangkulisse
Die Fünfte Symphonie von Serge Prokofieff zählt zu den meistgespielten Werken des russischen Komponisten. Wer richtig zuhört, wird hinter der teilweise bombatischen Fassade die erstaunlichsten Zwischentöne vernehmen. Das Werk war Frucht jener kulturpolitischen Auftrags-Welle, die das Ende des Zweiten Weltkriegs im von Josef Stalin regierten Russland auslöste.
Der Diktator wollte den
Sieg über Deutschland gefeiert wissen; und das möglichst so rauschend oder noch viel rauschender als Beethoven einst die Brüderlichkeit besungen hatte.
Der böse Zufall wollte es, dass Prokofieffs
Zeitgenosse Dmitri Schostakowitsch nach zwei symphonischen Durchhalteappellen – den ersten für die armen Menschen im belagerten Leningrad, den zweiten an sein ganzes Volk gerichtet angesichts der Katastrophe von Stalingrad – in der Zählung ausgerechnet bei der neunten Symphonie angelangt war. Dass er es wagte, auf allen Pomp und vor allem auf ein Chorfinale zu verzichten und stattdessen ein (mit kurzen
Ausnahmen) geradezu beschwingt klassizistisches Werk schrieb, wird ihm von der Geschichtsschreibung als besonders mutiger Affront gegen Stalin ausgelegt.
Erst in späteren Symphonien wurde er wieder klanglich bombastischer, vordergündig könnte man sagen: linientreuer den Zielsetzungen des "Sozialistischen Realismus" gegenüber.
Prokofieff schrieb aus dem nämlichen Anlass seine Fünfte. Sie tönt in den Sätzen 1 und 3 hehr und groß, im Scherzo zynisch-grell.
Das sollte schon hellhörig machen - und reizte den Amerikaner George Antheil übrigens zu einer brillanten Paraphrase.
Wie eine tickende Zeitbombe
Das Finale von Prokofieffs Symphonie aber sollte uns heute noch aufhorchen lassen, skeptisch gegenüber der scheinbar offen zur Schau getragenen Fröhlichkeit wie man es bei den scheinbar heiteren Töne von Schostakowitschs Neunter schön gelernt hat: Prokofieffs ach so "gelöstes" Rondo mündet in eine Coda, in der die Musik geradezu verrückt zu werden scheint. Wenn alles schon zum glücklichen Ende gekommen sein sollte, beginnt ein Uhrwerk zu ticken. Es lässt sich auch von insistierenden Schluss-Akkordennicht abstellen und tickt immer irrsinniger weiter, als wollte es sagen: Im besiegten Deutschland mag die Diktatur zu Ende sein. Hier bei uns in der Sowjetunion aber wird sie noch lange währen...