Arvo Pärt

* 1935

Aus Estland gebürtig, mußte Arvo Pärt in seinen frühen Jahren den Gesinnungsrerror der kommunistischen Diktatur in seiner Heimat ertragen. Musiziert hat er bereits Kind, seine ersten Kompositionen standen, als er gerade 14 Jahre alt war. Der Musik verschrieb er sich auch im Brotberuf und arbeitete als Tonmeister beim sowjetischen Rundfunk.
Sein Frühwerk spiegelt den Einfluß Dmitri Schostakowitschs, Sergej Prokofieffs, aber auch Béla Bartóks. Mehr und mehr machte sich aber der Einfluß der in der Sowjetunion damals verpönten Neuen Wiener Schule um Arnold Schönberg geltend, dessen »Zwölftonmethode« Pärt als Grundlage für die Entwicklung eines eigenwilligen musikalischen Serialismus' diente.
Bald galten seine Werke als »formalistisch« und wurden von den ästhetischen Zensoren des Regimes als »nicht systemkonform« verurteilt.
Als Pärt Anfang der Siebzigerjahre beschloß, der russisch-orthodoxen Kirche beizutreten, machte ihn das im atheistischen Staat vollends zur Persona non grata. Dementsprechend zurückhaltend agierte Pärt mit Veröffentlichungen. Zwischen 1968 und 1976 erschien mit der Dritten Symphonie nur ein einziges Werk.
In der Zeit der Still studierte Pärt die Musik des Mittelalter und die frühesten Dokumente der europäischen Mehrstimmigkeit. Gregorianischer Gesang und die Schule von Notre Dame, aber auch frühe Musik der Renaissance bileten die Vorlagen für Pärts vollkommen neuen Stil, dessen erste Frucht das kurze Klavierstück »Für Alina« war. Asketische Reduktion der Ausdrucksmittel und des musikalischen Materials, das sich auch in den folgenden, weiträumigeren Werken damit begnügt, über lange Strecken nur einen minimalen Tonvorat und harmmonischen Raum zu ergründen.

Tintinnabuli-Stil

Der Komponist selbst bezeichnete seine Kompositionstechnik als den »Tintinnabuli-Stil« nach dem lateinischen Wort für Glockenspiel. Pärt spielt damit auf das gocknartige Klingen des Dur- oder Molldreiklangs und seine Umspielung an.
1980 emigrierte Arvo Pärt auf Druck der Sowjet-führung mit seiner Familie nach Wien. Als österreichischer Staatsbürger lebte er von 1981 bis 2008 in Berlin und bereitste nach dem Zerfall der Sowjetunion auch gern seine Heimat Estland.
Wie viele Komponisten des Baltikums verdankte Pärt seinen guten Ruf im Westen der treuen Pionierarbeit des Geigers Gidon Kremer, der bei vielen Gelegenheiten schon in den Siebzigerjahren Pärts Stücke aufführte und ein Werk wie Tabula rasa geradezu popularisierte.
Die Meditativen Züge von Pärts Musik wurden im Westen von einem jungen Publikum sofort akzeptiert und leisteten erhebliche Überzeugungsarbeit für die Heraufkunft einer individualistischen »Postmoderne«, die sich von avantgardistischen Ästhetik-Doktrinen nicht mehr bevormunden lassen wollte und auf alte, ja uralte Vorbilder nicht nur in der europäischen Musikkultur berief.

»FRATRES«



↑DA CAPO