Ralph Vaughan-Williams

1872 - 1958

Einer der großen Symphoniker des XX. Jahrhunderts, die Persönliches und Zeitströmungen sensibel in die große orchestrale Form zu gießen verstanden.

Wie in Rußland bei Schostakowitsch (und mit durchaus vergleichbaren Mitteln jenseits avantgardistischer Experimente) spiegelt sich auch in Vaughan-Williams' Werken die bewegte Weltgeschichte - und das Leid des Individuums an ihr.

Jugend im Zeichen des Kreuzes

Vaughan Williams war der Sohn eines anglikanischen Geistlichen und fand nach Studien bei Charles Villiers Stanford und Hubert Parry als Organist in London.

Geistliche Musik hat er sein Leben lang komponiert. 1906 erschien ein neues angklianisches Kirchengesangsbuch,
The English Hymnal
das er redigierte.
Er studierte aber auch akribisch die Volksmusik seines Landes und veröffentlichte 1903 eine Sammlung englischer Volkslieder
Bushes and Briars.
Bei diesen Studien vertiefte sich Vaughan Williams auch in die englische Renaissance-Musik. Alle diese Arbeiten hinterließen Spuren in seinem kompositorischen Schaffen.

Lehrer: Bruch und Ravel

Zur Vervollkommnung seiner Technik ging Vaughan Williams zu Max Bruch nach Berlin (1897) und zum Maurice Ravel nach Paris (1908). Erst nach dem Paris-Aufenthalt brachte er seine erste große Komposition heraus:
A Sea Symphony.

Populäre Melodien

Diese Erste Symphonie ist in Wahrheit eine groß angelegte Kantate für Chor und großes Orchester nach einem Text von Walt Whitman, der im selben Jahr, 1910, ein klein dimensioniertes Stück für doppeltes Streichorchesters namens
Fantasia on a Theme by Thomas Tallis
beigesellt wurde, das bald zu Vaughan Williams' populärsten Schöpfunge zählte.
Wie die
Fantasia on Greensleeves (1934)
spiegelt die Tallis-Fantasie die Beschäftigung mit der englischen Musikgeschichte und Volksmusik.

Zwischen diesen beiden Fantasien schrieb Vaughan Williams 1914 ein weiteres Werk, das hohe Popularität erlangen sollte:
The Lark Ascending
dem ein Gedichtzitat von George Meredith vorangestellt ist: Das Violinsolo entschwebt über der paradiesischen Atmosphäre aus irdischen in himmlische Gefilde - der luftige Gesang »verliert sich im Licht -- danach singen die Träume.«

Die Symphonien

Zentrum des Werk-Katalogs bilden die Symphonien. Sie reichern spätromantische Klangfülle mit herben Klang-Effekten in harmonisch erweitertem Dur-Moll-Spektrum an. Mehr als einmal erinnern die Effekte in ihrer pittoresken Programmatik an beredte inhaltliche Zeichen, wie sie zur selben Zeit Dmitri Schostakowitsch als Symphoniker setzt.
Auch bei Vaughan Williams finden wir eindeutige programmatische »Erzählungen«.

A Sea Symphony (Nr. 1) mit Sopran, Bariton und Chor (1910)

A London Symphony (Nr. 2) (1913/1920)

Pastoral Symphony (Nr. 3) mit Sopransolo (1921)

Symphonie Nr. 4 f-moll (1934)

Symphonie Nr. 5 D-Dur (1943)

Symphonie Nr. 6 e-moll (1947)

Sinfonia Antartica (Sinfonie Nr. 7) (1952)

Symphonie Nr. 8 d-moll (1955)

Symphonie Nr. 9 e-moll (1957)



Wobei Vaughan Williams in der Pastoral Symphony seine Erlebnisse als Soldat an der französischen Front im Ersten Weltkrieg verarbeitet, wo der Geschützlärm sein Gehör nachhaltig schädigte - Vaughan Williams ertaubte schließlich.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ seine Spuren in den Symphonien Nr. 5 und 6. In jener Zeit war Vaughan Williams bereits anerkanntermaßen der führende Komponist seines Landes.

Offizielle Kompositionen

Zur Feier des Siegs schrieb Vaughan Williams als Auftragskompositon für die BBC bereits 1944
A Song of Thanksgiving
dessen Uraufführung unmittelbar nach dem Waffenstillstand beim Dankgottesdienst am 13. Mai 1945 stattfand und im Radio übertragen wurde.

Zur Krönung von Königin Elizabeth II., für deren Feier Kollege Benhamin Britten die Oper Gloriana beisteuerte, schrieb Vaughan Williams eine Vertonung des 100. Psalms als Offertorium, in dessen Finale die Gemeinde einstimmen sollte, was allerdings nicht ganz reibungslos gelang.

Musikdramatik

Weniger erfolgreich war Vaughan Williams mit seiner Theatermusik. Weder
Hugh the Drover
noch die »Falstaff-«Oper
Sir John in Love (1929)
konnten sich durchsetzen.

Auch
The Pilgrim's Progress
nach John Bunyan, nach jahrzehntelanger Arbeit 1951 vollendet, war nicht erfolgreich.

Ralph Vaughan Williams starb am 26. August 1958 in London und wurde im Poets’ Corner der Westminster Abbey beigesetzt.



↑DA CAPO