Bartóks Klavierkonzerte
Klavierkonzert Nr. 1
Bartóks Erstes Klavierkonzert hat die Zeitgenossen in seiner Radikalität vor den Kopf gestoßen wie Strawinskys Sacre du printemps oder Prokofieffs Zweites Klavierkonzert. Obwohl von der äußeren Form her die klassische Dreisätzigkeit mit einem langsamen Satz im Zentrum gewahrt wird, könnte die Erwartungshaltung des Publikums nicht heftiger konterkariert werden. Radikal mutet vor allem der Mittelsatz an. Die perkussive Klangästhetik wird hier quasi skelettiert: Die Musik reduziert sich auf Schlagwerk, Klavier und einige, wenige Bläser-Einwürfe.
Das Konzert gehört noch 100 Jahre nach seiner Uraufführung für Solist und Orchestermusiker zu den (nicht zuletzt) rhythmisch heikelsten Herausforderungen der Literatur.
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Klavierkonzert Nr. 2
Der Komponist selbst betrachtete sein zweites Konzert als eine Art Schritt zurück. Das Werk sei komponiert
weniger schwierig für das Orchester und mit gefälligerem thematischen Material.
Der Mittelsatz scheint zunächst beherrscht von einer uneimlich-zurückhaltenden Stimmung, in die Paukenschläge und gestoßene Oktaven des Klaviers immer drängendere Zeichen setzen, ehe mit dem zentralen Presto hektisches Getriebe ausbricht. Der Spuk zerstiebt bald und weicht einer von einem Klaviertriller und vibrierenden Streichertremoli einbegleiteten Wiederkehr des Adagios, in dem zunächst das Klavier die bedrohliche Oktav-Motivik improvisatorisch wieder aufnimmt, ehe der Satz wieder pianissimo verklingt.
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Klavierkonzert Nr. 3
Geradezu abgeklärt präsentiert sich das im amerikanischen Exil komponierte Konzert Nr. 3, Bartóks letztes vollendetes großes Werk. Es klingt - zumindest in den gängigen Interpretationen - zunächst beinahe an die Eröffnung des Mendelssohn-Violinkonzerts an und scheint dann vor allem im Mittelsatz von unwirklicher Schönheit und Ruhe erfüllt: Als wollte er die Geschichte des Streicher-Chorals aus dem zweiten Klavierkonzert noch einmal erzählen, nimmt Bartók hier die schwebenden Akkorde wieder auf, doch bleibt der Musik diesmal auch im lichten zentralen Abschnitt die Ruhe und Erhabenheit erhalten: Der beschauliche Streicher-Choral weicht einem von Vogelgezwitscher erfüllten, irreal schönen Landschaftsbild.
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Aufnahmen
Der Aufnahme-Klassiker schlechthin ist die mit der frühen Rhapsodie gekoppelte Gesamtaufnahme der drei Konzerte durch Géza Anda und das RSO-Berlin unter Ferenc Fricsay, deren musikantischer Zugriff und rhythmische Brisanz keineswegs quersteht zu ihrer (auch aufnahmetechnisch bemerkenswerten) Klangschönheit. (Andrew Rose hat für sein Label Pristine eine rundumerneuerte Digitalisierung der Aufnahmen vorgelegt, die alle auf den DG-Veröffentlichungen zu bemerkenden Tonhöhen-Probleme beseitigt!)Das heikle Erste Klavierkonzert gibt es in einer allseits als »klassisch« apostrophierten Einspielung durch Daniel Barenboim unter Pierre Boulez von 1973, doch bietet die zehn Jahre ältere Aufnahme Rudolf Serkins unter George Szell noch ein wenig mehr pianistische Klarheit und insgesamt mehr rhythmische Brisanz bei mitreißendem musikantischem Zugriff.
Was das Dritte Klavierkonzert betrifft, erweist sich die Ersteinspielung durch das Uraufführungs-Team als höchst aufschlußreich: György Sándor und Eugene Ormandy mit dem Philadelphia Orchestra befleißigen sich vor allem im Stirnsatz einer weniger »pastoralen« Gangart, betonen eher den heiteren, teilweise geradezu springlebendigen Charakter er Musik, die zum Mittelsatz besonders schön kontrastiert.
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