Edvard Grieg
Norwegens Nationalkomponist - ein Meister der kleinen Form; aber nicht nur...
Der norwegische Nationalkomponist Edvard Grieg hat in Leipzig studiert. Der norwegische Violinvirtuose und Komponist Ole Bull (1810-1880) hatte dem talentierten jungen Mann dazu geraten, denn die Grundlage einer Komponistenkarriere sollte, so war Bull überzeugt, in Deutschland gelegt werden. Auch nach seiner Übersiedlung nach Kopenhagen, sollte sich Grieg noch dieser Denkschule gehorchen: Sein Lehrer war der dänische Meister Niels Wilhelm Gade (1817-1890), der an Mendelssohn geschult war und der Meinung war, ein »echter« Komponist hätte sich an Sonaten und Symphonien zu beweisen. So entstanden eine viersätzige Klaviersonate (e-Moll op. 7), die immerhin von einem Pianisten wie Glenn Gould geschätzt wurde, und die Erste Violinsonate (F-Dur op. 8). Außerdem komponierte Grieg in jener frühen Zeit eine groß angelegte Symphonie, die freilich kaum ein Musikfreund kennt, weil der Komponist selbst sie aus seinem Werkkatalog gestrichen hat: „må aldrig opføres“ schrieb er eigenhändig auf das Titelblatt der handschriftlichen Partitur. Dieses darf niemals aufgeführt werden verhinderte die Verbreitung des Werks bis zum Jahr 1980 - denn die Bibliothek in Griegs Heimatstadt Bergen hielt sich an des Komponisten Verdikt. Nur die Musikforscher in der Sowjetunion, die irgendwann von der Existenz dieses Werks erfuhren, wollten Griegs Entscheidung nicht akzeptieren, besorgten sich eine illegale Kopie und brachten die Symphonie in c-Moll 1980 zur Uraufführung.
Man hat viel spekuliert, warum Edvard Grieg seine einzige Symphonie zurückgehalten hat. Vielleicht lag es daran, daß seine Landsleute ihn bald dazu bewegen wollten, nur noch Musik zu schreiben, die »seine Heimat ehrt«, wozu definitiv kein Versuch im deutsch-österreichischen Genre der großen Symphonie gezählt wurde...
Tatsächlich wurde Grieg der Meister der Charakterstücke, der Lieder - Bände von »Lyrischen Stücken« verbreiteten seinen Ruhm - und damit den der nur durch ihn international vertretenen »norwegischen Musik«.
Dazu, nicht zu vergessen, die Schauspielmusik zu Ibsens Peer Gynt, wiederum eine Folge von - allerdings faszinierenden - Charakterstücken, brillant orchestriert und dank zweier Suiten für den Konzertgebrauch arrangiert, Musik von ungeheurer Popularität.
Das einzige großformatige Werk aus Griegs Werkstatt, das sich im Konzertleben durchgesetzt hat, ist sein klassisch dimensioniertes, dreisätziges Klavierkonzert.
Es wurde so populär wie das ebenfalls in a-Moll stehende Konzert von Robert Schumann - und nicht selten in der Langspielplatten-Ära auf ein und derselben Vinylscheibe vertrieben.
Kenner schätzen auch Griegs Streichquartett, ein Werk, an dem Claude Debussy bei der Komposition seines bahnbrechenden Quartetts Maß genommen hat.
Was seine wenigen mehrsätzigen Schöpfungen betraf, war Grieg skrupulös und quälte seinen Verleger mit immer neuen Bearbeitungen und Korrekturen. An den Orchesterstimmen seines Klavierkonzerts feilte er beispielsweise bis zu seinem Lebensende. Zwei Sätze der Klaviersonate liegen in zwei Versionen vor. Nur die Symphonie ließ Grieg liegen. Gegen seinen verbrieften Willen brachte 1984 C. F. Peters die Partitur heraus. Seither wurde auch dieses Werk vielfach gegeben. Für das große Publikum bleibt Grieg dennoch der Meister der kleinen Form, der Morgendämmerung aus dem Peer Gynt, der zauberhaften Stilübung namens Aus Holbergs Zeit und zahlloser Klavier-Piècen, die für viele den Inbegriff der musikalischen Romantik darstellen - wie manches der Lieder, worunter viele sind die Grieg in deutscher Sprache vertont hat. Wovon der ekstatische Traum (nach Bodenstedt) vermutlich das beliebteste geblieben ist.