Klavierkonzert Nr. 1
(b-Moll op. 23)
Eine der großen Zurückweisungen, die Peter Iljitsch Tschaikowsky in seinem Leben erfahren mußte, provozierte ein Werk, das sich alsbald als eines seiner erfolgreichsten erweisen sollte: Der väterliche Freund und Lehrer Nikolai Rubinstein sollte Widmungsträge des Klavierkonzerts in b-Moll werden, bezeichnete das Werk allersings nach dem Vorspiel durch den Komponisten als gründlichen Fehlschlag. Tschaikowsky müsse die Komposition gründlich umarbeiten, sonst hätte sie keine Chance, befand Rubinstein.
Glücklicherweise blieb Tschaikowsky unbeeindruckt und brachte nur einige geringfügige Retuschen an seiner Partitur an, ehe er sie an Hans von Bülow sandte. Der bedeutende Pianist und Dirigent war geehrt über die Widmung und fand das Konzert glänzend. Er spielte 1875 in Boston die Uraufführung - danach ging das Stück u die Welt. Und selbst Rubinstein änderte seine Meinung und spielte »sein« Konzert 1878 in Paris mit durchschlagendem Erfolg.
Zu den Besonderheiten, mit denen Tschaikowsky hier die klassische Konzertform seinen eigenen Bedürfnissen anpaßt, gehört die langsame Einleitung, die er dem Kopfsatz voranstellt und mit der er einen neuen Typus schafft: Die »Signation«, die er dem Stück voranstellt, wurde zu einer der populärsten Melodien der Musikgeschichte - sie steht in Des-Dur und kehrt im folgenden Allegro agitato, mit dem erst die Haupttonart des Werks, b-Moll, erreicht wird, nicht mehr wieder.
Dennoch bildet Tschaikowsky über die drei Sätze seiner Komposition eine bemerkenswerte formale Klammer: Das triumphale Statement des lyrischen Seitensatzes im Finale, das kurz vor Schluß den emotionalen Höhepunkt des Werks markiert, kann durchaus als Gegenpol zur pathetischen Einleitung des Werks gehört werden und rundet den Bogen damit perfekt. Der Pianist Alexander Siloti hat übrigens das Finale des Konzerts einer Kürzung unterzogen, die bis heute in den meisten Fällen (auch bei Schallplattenaufnahmen) beibehalten wird.
Swjatoslaw Richter hat mehrere Aufnahen dieses Konzerts gemacht, die berühmteste mit den Wiener Symphonikern unter Herbert von Karajan, die von Fachleuten am höchsten gepriesene mit den Leningrader Philharmonikern unter Jewgeni Mrawinsky und eine mit der Tschechischen Philharmonie unter Karel Ancerl, ein Livemitschnitt aus Prag aus dem Jahr 1954, den manche Kenner in ihrer Brisanz und dramatischen Schlagkraft für die allerbeste Aufnahme halten.
Für Vladimir Horowitz war »das Tschaikowsky-Konzert
(daß es noch zweieinhalb weitere gibt, ist für den Großteil der Musikwelt unbemerkt geblieben) das wichtigste »Schlachtroß« um seine legendären Oktaven präsentieren zu können. Unter der Leitung seines Schwiegervaters Arturo Toscanini hat er eine viel beachtete Aufnahme gemacht, der ein Livemitschnitt unter George Szell aus der New Yorker Carnegie Hall schwere Konkurrenz macht: Eine der brillantesten Darstellungen des Werks, die es gibt.
Die berühmteste Aufnahme des B-Moll-Konzerts hat allerdings Van Cliburn gemacht, der US-Amerikaner, der Mitten im »Kalten Krieg« den Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb gewann ,eine Schallplatte, die sich rasch mehr als eine Million Male verkauft hatte und damit alle Rekorde auf dem Klassikmarkt brach.