Streichquintette

Felix Mendelssohn Bartholdy hat zwei Streichquintette komponiert, eines im Alter von 16 Jahren, nicht ganz mit dem Schwung, mit dem er ein Jahr zuvor den Geniestreich seines Oktetts zu Papier gebracht hatte, aber voll sonnig-schöner Melodik. (A-Dur, op. 18)
Ein fulminantes Werk ist hingegen das Quintett in B-Dur (op. 87), das von einem der typisch drängend-energetische Mendelssohn-Allegros eingeleitet wird und an zweiter Stelle ein gemütlich-tänzerisches Andante scherzando setzt, bevor der Komponist im d-Moll-Adagio, dem zentralen Satz des Werks, zu inniger Empfindung findet, die sich von taurig-melancholischer Stimmung über eine hoch expressive Steigerung in tröstliches Dur wendet. In die stille Atmosphäre bricht das Finale dann abrupt und mit kraftvoller Agilität herein, wobei kurz vor dem wirbelnden Schluß die Musik noch einmal in charmantem Rückblick innehält.

Das erste der Qintette ist von den Kammermusikensembles kaum je berücksichtigt worden, doch immerhin auf einer Schallplatte mit dem B-Dur-Werk vom Wiener »Philharmonia Quartett« unter der Führung von Wolfgang Poduschka in einer sehr schön klingenden Decca-Aufnahme verewigt worden.

Das zweite der beiden Streichquintette koppelt das Kammermusikensemble der Academy of St. Martin in the Fields mit dem Oktett in einer längst klassischen, musikantischen Aufnahme.

Aufhorchen läßt eine 2021 erschienene CD des Bartholdy-Quintetts, das für beide Werke jeweils einen Zusatz-Track anbietet. Im Falle des A-Dur-Quintetts ist es eine alternative (frühere) Version des Scherzos, die Mendelssohn eliminierte und durch das emotional aufbegehrende »Intermezzo« ersetzt wurde, in dem der Komponist den Tod seines väterlichen Freundes Eduard Rietz verarbietet, jenes Mannes, der ihn mit Bachs Matthäuspassion vertraut gemacht hatte, mit jenem Werk also, für dessen Aufführungsgeschichte Mendelssohn später so Entscheidendes geleistet hat.

Im Falle des B-Dur-Quintetts handelt es sich um jene Variante des Final-Allegros, die sich in Mendelssohns Manuskript findet. Es wird gemutmaßt, daß die gängig Spielversion, die sich seit der ersten Druckausgabe durchgesetzt hat, eine editorische Tat von Rietz' Sohn Julius ist. Daher präsentiert das Bartholdy Quintett das Werk in der kaum zu hörenden Version des Manuskripts.



↑DA CAPO