Hänsel und Gretel
verliefen sich im Wald
Offenbachs »Perichole«
Eine Volksopernproduktion mit Angelika Kirchschlager
Dezember 1996
Vor Jacques Offenbach und seinen anspruchsvollen Operetten zittern Sänger, Dirigenten und Regisseure in aller Welt. Nur nicht in der Volksoper. Dort spielt man »La Perichole« ungeniert.
Es ist etwas Irrationales an dem Klamauk und der Unterhaltungslust der französischen Urform der Operette.
Jacques Offenbachs trippelnde musikalische Unterminierung des zweiten Kaiserreichs fasziniert in seiner Ambivalenz zwischen losem Amüsement und frech camouflierender Systemkritik bis heute: Wie haben diese Künstler es nur geschafft, so viel Unverfrorenheit, als Dummheit kaschiert, zu Napoleons III. Zeiten unters Volk zu bringen?
Wie schafft man es heute, angesichts durch und durch demokratisierter Zustände, etwas von der Brisanz der Offenbachiaden herüberzuretten?
Regisseur Franz Marijnen präsentiert an der Volksoper seinen Lösungsversuch. Er stellt die Geschichte der peruanischen Straßensängerin, die vom Vizekönig begehrt wird, aber doch lieber bei ihrem armen Piquillo bleibt, in ein absurdes, surreales Ambiente. Zeit und Raum gelten nicht.
Alles ist verzerrt.
Adelige, Hofschranzen, große, kleine, und gar kleine Gesellschaft laufen als Karikaturen ihrer selbst herum; und das im atemberaubenden Tempo, das Bertrand de Billy mit dem blendend disponierten, durchsichtig und leichtfüßig agierenden Orchester vorgibt.
Seltsam genug, bleiben die rasanten Aktionen von Chor, Statisterie und Solisten vor allem im ersten Akt eine Angelegenheit der Darsteller, als wäre ein transparenter »eiserner Vorhang« zwischen der von Martin Kraemer üppig-grotesk ausgestatteten Szene und dem Auditorium heruntergelassen.
Erst dort, wo sich die Handlung mehr auf die Einzeldarsteller konzentriert, sickert ein wenig von der Laune, mit der die Darsteller offenbar allesamt agieren, auch in die Zuschauergemüter.
Man begreift: Die Straßensängerin Perichole und ihr naiver Liebhaber sollen uns offenbar als die einzig warmherzigen Menschen im bis zur Bewußtlosigkeit erstarrten Ambiente einer falschen Ordnung ans Herz wachsen.
Das tun sie auch. Denn Alexandru Badea, ein sympathischer Tenor mit zarter, zu hübschem Piano befähigten Stimme, ist ganz der liebenswerte dumme Bub, der nicht begreift, wie lieb ihn sein Mädel hat.
Dieses wiederum, Angelika Kirchschlager, bezaubernd jugendfrisch in Figur und Stimme, wandert vokal und darstellerisch jenseits aller Klischees, ist keine Diva, die sich herabläßt, einmal komisch zu sein, sondern ein Jungstar mit dem Charme der Unverbrauchtheit.
Dieses Pärchen verläuft sich kurzfristig im Dickicht einer degenerierten, von Wicus Slabbert als Vizekönig in komischer Selbstironie angeführten Theatergesellschaft.
Es entkommt aber sämtlichen Ränkespielen, die Ernst-Dieter Suttheimer und Josef Luftensteiner tolpatschig einfädeln, und entspricht somit der Notwendigkeit eines Happy Ends.
Es hätte auch anders kommen können, ohne daß man die Sache im Publikum besonders ernst genommen hätte.
Mit solchen Operettenproduktionen ist es wie mit seiner Haft: Zwölf Jahre hat er gebraucht, um die erste der beiden Mauern, die ihn einkerkern, zu überwinden.
Noch einmal zwölf, und er wird frei sein. Die Aussicht stimmt ihn glücklich.
Die Aufführung der "Perichole" ist nach der Pause sogar kürzer als vorher. Und man lacht ein paar Mal öfter als davor. Sie gewinnt also, wie man im Theaterjargon so sagt, an Tempo.
Das macht sie zwar noch nicht brillant, aber beinahe so sympathisch wie ihre beiden Hauptdarsteller.
Und die sind wirklich liebenswert.
Es ist etwas Irrationales an dem Klamauk und der Unterhaltungslust der französischen Urform der Operette.
Jacques Offenbachs trippelnde musikalische Unterminierung des zweiten Kaiserreichs fasziniert in seiner Ambivalenz zwischen losem Amüsement und frech camouflierender Systemkritik bis heute: Wie haben diese Künstler es nur geschafft, so viel Unverfrorenheit, als Dummheit kaschiert, zu Napoleons III. Zeiten unters Volk zu bringen?
Wie schafft man es heute, angesichts durch und durch demokratisierter Zustände, etwas von der Brisanz der Offenbachiaden herüberzuretten?
Regisseur Franz Marijnen präsentiert an der Volksoper seinen Lösungsversuch. Er stellt die Geschichte der peruanischen Straßensängerin, die vom Vizekönig begehrt wird, aber doch lieber bei ihrem armen Piquillo bleibt, in ein absurdes, surreales Ambiente. Zeit und Raum gelten nicht.
Alles ist verzerrt.
Adelige, Hofschranzen, große, kleine, und gar kleine Gesellschaft laufen als Karikaturen ihrer selbst herum; und das im atemberaubenden Tempo, das Bertrand de Billy mit dem blendend disponierten, durchsichtig und leichtfüßig agierenden Orchester vorgibt.
Seltsam genug, bleiben die rasanten Aktionen von Chor, Statisterie und Solisten vor allem im ersten Akt eine Angelegenheit der Darsteller, als wäre ein transparenter »eiserner Vorhang« zwischen der von Martin Kraemer üppig-grotesk ausgestatteten Szene und dem Auditorium heruntergelassen.
Erst dort, wo sich die Handlung mehr auf die Einzeldarsteller konzentriert, sickert ein wenig von der Laune, mit der die Darsteller offenbar allesamt agieren, auch in die Zuschauergemüter.
Man begreift: Die Straßensängerin Perichole und ihr naiver Liebhaber sollen uns offenbar als die einzig warmherzigen Menschen im bis zur Bewußtlosigkeit erstarrten Ambiente einer falschen Ordnung ans Herz wachsen.
Das tun sie auch. Denn Alexandru Badea, ein sympathischer Tenor mit zarter, zu hübschem Piano befähigten Stimme, ist ganz der liebenswerte dumme Bub, der nicht begreift, wie lieb ihn sein Mädel hat.
Dieses wiederum, Angelika Kirchschlager, bezaubernd jugendfrisch in Figur und Stimme, wandert vokal und darstellerisch jenseits aller Klischees, ist keine Diva, die sich herabläßt, einmal komisch zu sein, sondern ein Jungstar mit dem Charme der Unverbrauchtheit.
Dieses Pärchen verläuft sich kurzfristig im Dickicht einer degenerierten, von Wicus Slabbert als Vizekönig in komischer Selbstironie angeführten Theatergesellschaft.
Es entkommt aber sämtlichen Ränkespielen, die Ernst-Dieter Suttheimer und Josef Luftensteiner tolpatschig einfädeln, und entspricht somit der Notwendigkeit eines Happy Ends.
Es hätte auch anders kommen können, ohne daß man die Sache im Publikum besonders ernst genommen hätte.
Die »gefangene« Operette
Fritz Holzer reduziert mit seinen Kurzauftritten als alter, vergessener Gefangener die Sache auf ihren Kern.Mit solchen Operettenproduktionen ist es wie mit seiner Haft: Zwölf Jahre hat er gebraucht, um die erste der beiden Mauern, die ihn einkerkern, zu überwinden.
Noch einmal zwölf, und er wird frei sein. Die Aussicht stimmt ihn glücklich.
Die Aufführung der "Perichole" ist nach der Pause sogar kürzer als vorher. Und man lacht ein paar Mal öfter als davor. Sie gewinnt also, wie man im Theaterjargon so sagt, an Tempo.
Das macht sie zwar noch nicht brillant, aber beinahe so sympathisch wie ihre beiden Hauptdarsteller.
Und die sind wirklich liebenswert.