* CARMEN *

Georges Bizet

1838 - 1875

Mit seiner Carmen hat Georges Bizet eine der zehn meistgespielten Opern des internationalen Repertoires geschaffen. Den Siegeszug dieses Werks hat er nicht mehr erlebt. Carmen kam kurz vor Bizets Tod an der Pariser Opéra comique heraus und schien zunächst nicht erfolgreicher als die drei Bühnenwerke, die der Komponist zuvor herausgebracht hatte
* Le docteur Miracle, (1857)
* Les pêcheurs de perles, (1863)
* La jolie fille de Perth, (1867)
* Djamileh, (1872)

und die Schauspielmusik zu
* L’Arlésienne, (1872)

Zwischendrin skizzierte Bizet unermüdlich große Opern, Operetten, Bühnenmusiken. Außer den oben genannten erblickte nur die Operette Marlbrough s’en va-t-en guerre das Bühnenlicht. Nach der Urauführung im Pariser Théâtre Athénée (13. Dezember 1867) verschwand aber der Großteil des Manuskripts. Nur der erste Akt hat sich erhalten.

Etliche von Bizets fragementarisch hinterlassenen Werken haben nach dem posthumen Welterfolg der Carmen das Interesse von Bearbeitern und Intendanten geweckt.
So kam es zu Uraufführungen von rekonstruierten Stücken namens Don Procopio (Fassung von Charles Malesherbes, Monte Carlo, 1906) oder Ivan IV. (Lyon, 1951).

Die Jugend-Symphonie

Bezeichnend für Bizets Selbstkritik ist auch die Tatsache, daß er das Manuskript seiner im Alter von 17 Jahren vollendeten, viersätzigen Symphonie in C-Dur nie jemandem gezeigt hat.
Die Partitur fand sich in seinem Nachlaß und wurde erst 80 Jahre nach Bizets Tod veröffentlicht. Das Stück entpuppte sich als fein geschliffenes, handwerklich perfekt gearbeitete und gut instrumentiertes Dokument klassizistischer Formbeherrschung und zählt seit der späten Entdeckung zum Fixbestand des an symphonischen Meisterwerk nicht eben reichen Reperotires der französischen Romantik.

Dabei mangelte es zunächst gar nicht an Anerkennung für das musikalische Wunderkind, da schon als Zehnjähriger ins Pariser Konservatorium Aufnahme fand. Bizet gewann mit 19 einen von Jacques Offenbach ausgerschriebenen Operetten-Wettbewerb und im Jahr darauf den begehrten Rom-Preis.
In der Folge aber bleibt er in der zweiten Reihe der französischen Komponisten jener Ära.

Bizets Jugend Georges Bizet kam 1838 in Paris als Sohn eines Gesangslehrers zur Welt. Mit 10 durfte er am Konservatoriium studieren und wurde zumindest eine Zeit lang von Charles Gounod unterwiesen. Später wurde er Schüler von Jacques Fromental Halévy, dessen - wie sich herausstellen sollte psychisch labile - Tochter Bizet 1869 heiratete. Halévys Cousin Ludovic war später einer der Librettisten der Carmen.

1857 wurde Bizet der Prix de Rome zugesprochen, was ihm einen dreijährigen Aufenthalt in der Villa Medici ermöglichte.

Wegen der Erkrankung seiner Mutter kehrte Bizet 1860 nach Paris zurück. Kopistendienste fürs Theater und für Verlage sorgten für den Unterhalt, während Bizet seine Musiktheaterpläne in die Tat umzusetzen versuchte. Erfolg war ihm nicht vergönnt. Weder Les pêcheurs des perles (»Die Perlenfischer«, 1863) noch La jolie fille de Perth (1867) oder Djamileh kamen beim Publikum an. Die mit dem Literatren Alphonse Daudet erarbeitete Bühnenfassung von L'arlésienne, für die Bizet eine prächtige Schauspielmusik schrieb, fiel ebenfalls durch.



Die Symphonie in C-Dur Mit der Arbeit an seiner Symphonie Nr. 1 in c-Dur, die seine einzige bleiben sollte, begann Bizet am 29. Oktober 1855. Schon ein Monat später war die Partitur fertiggestellt. Eeine bemerkenswerte Leistung für einen Siebzehnjährigen, nicht zuletzt angesichts der formalen Perfektion des Werks, an dem alles leicht, handwerklich ausgefeilt und überlegt wirkt. Immerhin waren es noch zwei Jahre bis zum Prix de Rome.

Die Symphonie blieb unaufgeführt, hat sich aber im Nachlaß erhalten. Die Witwe des Komponisten, Geneviéve Bizet, gab die Partitur an Reynaldo Hahn, der sie freilich seinerseits liegenließ. Erst 1933, entdeckte ein findiger Geist in einem Stapel von Manuskripten, die Hahn im Pariser Konservatorium deponiert hatte. Felix Weingartner hob das Stück aus der Taufe. Seither erfreut es sich anhaltender Beliebtheit.

Formal ist das Werk eine gediegene Stilübung, die freilich durch bemerkenswerte melodische Erfindung geadelt wird.
  • Allegro vivo (Sonatensatz)
  • Adagio - Bogenform mit einem Fugato als »Durchführungsteil«
  • Scherzo und Trio
  • Finale. Allegro vivace


  • Das Werk hat einige bedeutende Dirigenten gereizt. Mindestens drei Aufnahmen im Katalog dürfen als außerordentlich gelten, spiegeln sie doch, jede auf ihre Weise, die geniale Begabung des jugendlichen Komponiten wieder, setzen auf Esprit, Schwung und duftige Klanggebung. Sir Thomas Beecham hat der Symphonie mit dem Royal Philharmonic in London wahrhaft klassisches Gewicht gegeben.

    Charles Munch schuf - kurioserweise mit dem selben Orchester! - einen Aufnahmeklassiker, elegant und voll Charme.

    Georges Pretre, von dem eine Jugendaufnahme auf Video im Internet zu finden ist, gelang während seiner Amtszeit als Gastdirigent der Bamberger Symphoniker eine ungemein geschmeidige Wiedergabe der Partitur, die in der freien melodischen Entfaltung des langsamen Satzes einen Höhepunkt an Intensität und Tiefgang erreicht.



    Die Entstehung der Carmen

    Immerhin bestellt die Opéra comique nach der Uraufführung von Djamileh »dreiaktiges Stück« bei ihm, wie er einem Freund 1872 brieflich mitteilt. Zu diesem Zeitpunkt weiß er auch schon, daß »Meilhac und Halevy dne Text schreiben« werden, glaub allerdings noch: »er wird heiter sein.«.

    Danach verlieren sich die Spuren im Dunkeln. 1874 ist dann die Partitur von Carmen fertig. Das alles andere als »heitere« Stück scheint während der Proben die Kräfte der Opéra comique zu überfordern. Der Chor revoltuiert gegen die heiklen Einsätze, die der Komponist ihm zumutet, die Solisten verlangen nach weniger elaborierten und vor allem »melodischeren« Ensembles und Solo-Nummern.

    Im letzten Moment erklärt sich Bizet bereit, einige Arien nachzuliefern. Darunter sind die drei populärsten Szenen des Werks, die Habanera, das Torero-Lied und die aus einem Fragment gebliebenen früheren Musiktheater-Versuch übernommene Arie der Micaela.

    Dennoch verebbt der Premieren-Applaus rasch und wird von Akt zu Akt schwächer. Georges Bizet stirbt genau drei Monate später, am 3. Juni 1875. Daß die Wiener Oper für Oktober desselben Jahres schon die Erstaufführung der Carmen vorbereitet, erlebt er so wenig wie die Arbeit seines Freundes Ernest Guiraud, der auf Texte, die Halévy eigens dafür verfaßt, die nötigen Rezitative komponiert, um das Stück »hoftheaterfähig« zu machen.

    Guirauds Version der Partitur begleitet den Erfolg der Carmen außerhalb Frankreichs über Jahrzehnte.

    Eine viel beachtete Berliner Produktion Walter Felsensteins von 1949, für das auch eine neue deutsche Übersetzung erarbeitet wird, belebt auch das Interesse der Regisseure an dem Werk.

    ↑DA CAPO