Dvořáks Cellokonzert
1895
Während seines Aufenthalts in Amerika gelang Antonín Dvořák »das« Cellokonzert schlechthin.
Antonín Dvořáks h-Moll-Konzert ist das populärste Werk seiner Gattung geworden, entstanden in der Spätzeit des Komponisten, nach Vollendung sämtlicher Symphonien und kurz vor der Arbeit an den großen, aber weitaus weniger populären Symphonishen Dichtungen gelang dem Komponisten ein perfekt zwischen den Ansprüchen an ein virtuoses Solokonzert und symphonischer Formbewältigung balancierendes Meisterwerk, voll eingängier Melodik, aber ohne Anbiederung an allzu anspruchsarme Hörgewohnheiten . . .Inspiriert wurde Dvořák vom Erfolg der Uraufführung des zweiten Konzerts von Victor Herbert, der freilich heutzutage nur noch Cellisten ein Begriff ist. Dvořáks eigenes Werk entstand, wie gewohnt, in kurzer Zeit zwischen November 1894 und Februar 1895. Gedacht war eine Aufführung durch Dvořáks Freund Hanuš Wihan, der jedoch allzuviele Änderungswünsche vorbrachte, sodaß Leo Stern die Ehre zukam, anläßlich der Uraufführung in London, begleitet von Royal Philharmonic Society unter der Leitung des Komponisten das Solo zu spielen. Fachwelt und sogar kritische Geister wie Johannes Brahms reagierten sofort enthusiasmiert. Noch nie, so schien es, hatte es ein Komponist geschafft, das Violoncello auf so natürliche Weise zu Primus inter pares in den symphonischen Klang zu integrieren. Was bei einer Violine dank deren Sopranlage mühelos gelingen kann, scheint für den »Tenor« unter den Streichinstrumenten bedeutend schwieriger. Dem Bratscisten Dvořák gelang das Kunststück scheinbar mühelos. Die Führungsrolle kommt dem Cello hier ganz selbstverständlich zu.
Interessant ist, daß Dvořák seinem Solisten immer wieder Passagen zuweist, die wenig mit dem vom Orchester vorgestellten Motiv-Material zu tun haben. Auf diese Weise definiert er den dialogischen Charakter des Konzertierens neu und findet - namentlich im Kopfsatz - zu einer freien Erzählstruktur, die sich kaum an klassischen Formmustern orientiert, sondern eher am dramaturgischen Erlebniswert der fabelhaften Geschichte, die im Dialog zwischen Orchester und Solist entsteht. So erscheint das jubelnde Fortissimo-Statement des Orchesters, das unmittelbar vor dem ersten Einsatz des Solocellos erklingt, im weiteren Verlauf überhaupt nicht mehr. Es bleibt - wenn auch spektakuläre - Episode.
Klassizistischer ist, formal gesehen, der Verlauf des Adagios, das freilich von hohem emotionalem Wert ist: Der Komponist entwickelt es aus einer eigenen Liedkomposition - vielleicht, wie vermutet wird, im Andenken an seine wenige Monate vor Kompositionsbeginn verstorbene Schwägerin, Josefina Czermakova, für die er einstmals geschwärmt hatte und deren Lieblingslied diese Vertonung eines Textes von ... gewesen sein soll.
Aufschlußreich in diesem Zusammenhang der Lied-Text:
Laßt mich allein in meinen Träumen geh'n,
Stört mir die Wollust nicht in meinem Herzen!
Laßt mir die Wonne all', laßt mir die Schmerzen,
Die mich erfüllen, seit ich ihn geseh'n!
Laßt mich allein! Verscheucht den Frieden nicht
In meiner Brust mit euren lauten Worten!
Daß ich ihn seh' und höre aller Orten:
Laßt mich allein mit seines Bildes Licht.
Fragt nach dem Zauber nicht, der mich erfüllt;
Ihr könn't die Seligkeit ja doch nicht fassen,
Die seine Liebe mich hat fühlen lassen,
Die Liebe, die nur mir, mir einzig gilt.
Laßt mich allein, allein mit meiner Last
Von heißer Qual, von loderndem Entzücken;
Und sollt' es dich, du armes Herz, erdrücken:
Du trägst allein, was du vom Liebsten hast!
Laßt mich allein in meinen Träumen steh'n!
Er liebt mich ja! Laßt mir den tiefen Frieden,
Den dieses Wort mir gab, von dem geschieden,
Die Seele müßt' in Sehnsucht untergeh'n.
(Ottilie Malybrok-Stieler in: Lyrische Gedichte und Übertragungen nach böhmischer Kunst- und Volks-Poesie)
Laßt mich allein in meinen Träumen geh'n,
Stört mir die Wollust nicht in meinem Herzen!
Laßt mir die Wonne all', laßt mir die Schmerzen,
Die mich erfüllen, seit ich ihn geseh'n!
Laßt mich allein! Verscheucht den Frieden nicht
In meiner Brust mit euren lauten Worten!
Daß ich ihn seh' und höre aller Orten:
Laßt mich allein mit seines Bildes Licht.
Fragt nach dem Zauber nicht, der mich erfüllt;
Ihr könn't die Seligkeit ja doch nicht fassen,
Die seine Liebe mich hat fühlen lassen,
Die Liebe, die nur mir, mir einzig gilt.
Laßt mich allein, allein mit meiner Last
Von heißer Qual, von loderndem Entzücken;
Und sollt' es dich, du armes Herz, erdrücken:
Du trägst allein, was du vom Liebsten hast!
Laßt mich allein in meinen Träumen steh'n!
Er liebt mich ja! Laßt mir den tiefen Frieden,
Den dieses Wort mir gab, von dem geschieden,
Die Seele müßt' in Sehnsucht untergeh'n.
(Ottilie Malybrok-Stieler in: Lyrische Gedichte und Übertragungen nach böhmischer Kunst- und Volks-Poesie)
Anstelle eines fröhlichen Kehraus schreibt der Komponist nun auch einen dramatisch aufwühlenden Finalsatz, der nach ruhiger Orchestereinleitung den balladesken Ton des Konzertbeginns wieder aufnimmt und auch beinahe ebenso lang dauert. Zuletzt klingt visionär noch einmal das Lied des Mittelsatzes an, und untermauert damit noch einmal dessen Stellung im »Programm« des Werks.