Symphonie Nr. 94 G-Dur
1791
»mit dem Paukenschlag«
Ball im Uraufführungssaal, Hannover Square
Adagio cantabile– Vivace assai Andante Menuett. Allegro molto Finale. Allegro molto
Was es mit dem berühmten Paukenschlag auf sich hat, der ins Variationsthema des zweiten Satzes plötzlich dreinfährt, hat der Komponist seinem Biographen Griesinger berichtet:
Es war mir daran gelegen, das Publikum durch etwas Neues zu überraschen, und auf eine brillante Art zu debütieren, um mir nicht den Rang von Pleyel, meinem Schüler, ablaufen zu lassen, der zur nämlichen Zeit bey einem Orchester in London angestellt war (im Jahr 1792) und dessen Konzerte acht Tage vor den meinigen eröffnet wurden.
Das erste Allegro meiner Simfonie wurde schon mit unzählichen Bravos aufgenommen, aber der Enthusiasmus erreichte bei dem Andante mit dem Paukenschlag den höchsten Grad. Ancora! An- cora! schallte es aus allen Kehlen, und Pleyl selbst machte mir über meinen Einfall sein Kompliment.
Die beste Aufführung, die in Wien in den vergangenen Jahrzehnten zu hören war, jene durch die Wiener Philharmoniker unter Carlos Kleiber, ist zwar vom österreichischen Rundfunk aufgezeichnet worden, aber vom Dirigenten nie für eine Veröffentlichung auf CD freigegeben worden. Dabei war es mit Sicherheit die lebendigste, am raffiniertesten durchgestaltete Haydn-Interpretation dieses Orchesters für Generationen. Wenn auch Kleiber - politisch unkorrekt - auf die Wiederholung der Exosition im Kopfsatz verzichtete: Er knüpfte an die große Tradition der Klassiker-Interpretation der Ära seines Vaters Erich und seiner Kollegen von Clemens Krauss bis Bruno Walter an. Es brauchte keine Originalklang-Zaubereien, um einen äußerst differenzierten, analytischen symphonischen Klang zu erzeugen - oder im Menuett ein rasantes Tempo anzuschlagen, wie es später Nikolaus Harnoncourt quasi »sanktionieren« sollte . . .
So muß man sich denn zu behelfen wissen: Die beste, saftigste Aufnahme im »alten Stil« stammt jedenfalls von Eugen Jochum, der mit London Philharmonic Haydn als Gründervater der großen Symphonie begrfeift und hörbar macht. Ein Vergnügen auch deshalb, weil der Humor nicht ausgeblendet bleibt.
Von den Originalklang-Pionieren hat Nikolaus Harnoncourt mit dem Concertgebouw Orchester das beste Ergebnis erzielt: Da wird auf dem Instrumentarium des großen Symphonieorchesters, aber im Wissen um »historische Musizierpraxis« gespielt - mit energetisch-kraftvollem Ergebnis und einem oft atemberaubenden Tempo (siehe oben).
Von den jüngeren Versuchen ist jener Adam Fischers mit der österreichisch-ungarischen Haydn-Philharmonie (live, 2004) der beste: witzig, pointiert, mit Lust am flexibler Tempogestaltung und charmanter, man möchte sagen »wienerischer« Phrasierung. Der »Paukenschlag« kommt wirklich als Überraschung daher - man begreift den englischen Kosenamen des Werks, »The Surprise«.
Der Originalklang-Mode gehorcht am konsequentesten Frans Brüggern mit seinem Orchestra of the 18th Century, aber ohne seinen Musikantengeist zu verlieren: Es klingt ein wenig »fremd vorm Ohr«, aber animiert und keineswegs »gelahrt« . . .