Symphonie Nr. 86 D-Dur
1786
Paris: Saal der Loge Olympique
Adagio - Allegro spiritoso Capriccio. Largo Menuet. Allegretto Finale. Allegro con spirito
Mit diesem Werk hat Haydn seinem Publikum etliche Nüsse zu knacken aufgegeben. Es ist ein Stück für Kenner, die der Musik gern aufmerksam folgen, um nicht den Faden zu verlieren. Sie werden reich belohnt durch immer neue Überraschungen. Der Kopfsatz der Symphonie ist von einer unablässig pochenden Achtelbewegung beherrscht, die das Geschehen fast manisch voranzureiben scheint, später noch durch Synkopen weiter beunruhigt. Die hektische Betriebsamkeit mündet in der Durchführung dann auch in ein entsprechend bewegtes harmonisches Geschehen, das weit im Quintenzirkel voranschreitet.
Das folgende Capriccio ist, wie meist wenn Haydn diese Bezeichnung gebraucht, ein Rondo: Fünfmal erscheint das nachdenklich-behäbige Hauptthema, immer wieder von »kommentierenden « Episoden abgelöst, darunter im Zentrum des Satzes ein Dialog zwischen Flötensolo und Baß, die, ausgehend von fis-Moll, chromatische Linien ineinander verschlingen und damit einen von theatralischen Tremoli gestragenen Konflikt herbeiführen, der erst vom dritten Auftreten des Hauptthemas gelöst wird, das von e-Moll in die Grundtonart G-Dur zurückführt - ehe als »dritte Episode« eine Variante des Themas in g-Moll weitere Verwirrung stiftet.
Die hier zur Schau gestellte Komplexität innerhalb eines Satzes, der zunächst recht simpel wirkt, färbt auch auf die folgenden Sätze der Symphonie ab. Haydn rechnet mit einem höchst aufmerksamen, gebildeten Publikum, das alle Abweichungen von den gewohnten Regeln registrierte und kennerisch kommentierte. Man wird daher bemerkt haben, daß das Menuett keineswegs in der altehergebrachten, simpel strukturierten Tanzweise erscheint, sondern nach dem typischen auftaktigen Beginn schon in seiner melodischen Enwicklung ungewöhnlich weitschweifig, durchführungsartig erweitert ist und mit einigen harmonischen Überraschungen aufwartet. Wie eine Antithese klingt das mittendrin eingestreute, von Holzbläsersoli dominierte Trio, das ein vergleichsweise einfach geformter, aber duftig instrumentierter Bauerntanz ist.
Ähnlich kompolex angelegt ist dann das Finale, ein Sonatensatz, der die Durchführungs-Elemente in die Reprise und bis knapp vor das Ende der Symphonie ausdehnt und damit für fortwährende Veränderungen sorgt: Nichts kehrt wieder, wie es einmal war.