Symphonie Nr. 49 f-Moll
»La passione«
1768
Adagio Allego di molto Menuet e trio Finale. Presto
Diese f-Moll-Symphonie ist eines der Musterbeispiele für den sogenannten »Sturm und Drang« in der Musikgeschichte. Da sich wie durch ein Wunder das Originalmanuskript (in der Bibliothek von Stockholm) erhalten hat, können wir das Werk auch sicher mit 1768 datieren. Es markiert, formal gesehen, ein eigenwilliges Zwischenstadium auf halbem Weg vom Barock zur Klassik: Der Beginn mit einem Adagio-Satz suggiert die Sonata di chiesa (die »Kirchensonate«) allerdings ist die Klangsprache Haydns äußerst »modern«, eben dem expressiven, theatralischen Zugenschlag dieser (nicht nur musikhistorischen) Aufbruchszeit verpflichtet.
»Sturm und Drang«
Wobei das so gut nachvollziehbare Diktum vom Sturm und Drang zwar die Stimmungslage und den Ton der Musik gut beschreibt, das namensgebende Drama von Klinger aber noch gar nicht geschrieben war: Es kam erst 1776 heraus - und in der Folge subsummierte man Literatur von Goethes Leiden des jungen Werther bis zu den leidenschaftlichsten Ausbrüchen in der Musik eines Carl Philipp Emamnuel Bach oder eben Haydn unter diesem Schlagwort.»Musik ohne Ausweg«
Die aufwühlenden künstlerischen Ausbrüche lagen offenbar in der Luft in jenen Jahren. Was Haydn betrifft, sprach man von einer »romantischen Krise« in seinem künstlerischen Leben. Entsprechend heftig bewegt gibt sich die Musik der f-Moll-Symphonie. Haydn hat keine zweite Symphonie in dieser Tonart komponiert! Er stellt hier, wie sein Biograph H. C. Robbins Landon konstatierte, eine Menge Fragen, auf die er keine Antwort findet. Es ist, so Robbins Landon, »Musik ohne Ausweg«, die ein wenig von Goyas Geist in sich trage.Ihren Titel bekam die Symphonie auf Grund des Klagegesangs, der am Beginn steht. Ein solches Werk mit einem Adagio zu beginnen stellt für Haydn keinen Einzelfall da. Auch in (wenn auch wenigen) anderen seiner frühen Symphonien orientiert er sich an der barocken »Kirchensonate«. Diesem barocken Grundschema verdankt sich auch die Tatsache, daß in dieser Symphonie sämtliche Sätze in der Grundtonart f-Moll stehen - lediglich das Trio des Menuetts wendet sich nach F-Dur. Der Grundton bleibt jedoch durchwegs derselben.
Das Allegro an zweiter Stelle nimmt den klagenden Tonfall auf und weitet ihn durch hektische Synkopierungen, weite (»schreiende«) Intervallsprünge und hochexpressive melodische Wendungen geradezu ins Hysterische. Lediglich das Menuett gönnt dem Hörer eine kurze Ruhepause, ehe das Finale sein (einziges) Thema zu einem Furioso steigert, das unablässig einem unversöhnlichen Schluß entgegenstürmt.
Aufnahmen
→ Max Goberman hat in seinem leider nicht vollendeten Aufnahmeprojekt mit den Musikern aus Wiener Orchestern in den Fünfzigerjahren bereits eine hinreißende Wiedergabe dieser Symphonie auf Schallplatten verewigt, kompromißlos hart in der Aussage, schlank, aber kraftvoll in der Tongebung - und das lange vor Ausbruch der Originalklang-Mode. (Sony)Eine der herausragenden Originalklang-Aufnahmen stammt von Ton Koopman und seine Amsterdam Baroque Orchester, viel weniger nachdrücklich als einst Goberman, aber nervös und höchst differnziert in den dynamischen Abstufungen geht Koopman ans Werk - und stellt La Passione in den Kontext der beiden anderen, berühmt gewordenen Moll-Symphonien aus Haydns mittlerer Schaffensphase: Trauersymphonie (Nr. 44) und Abschieds-Symphonie (Nr. 45). (Warner)